Aus technischen Gründen – Ein Wochenende in Belgien
Oud-Heverlee Leuven – Club Brugge KV
20.10.2012, Jupiler Pro League, Stadion Den Dreef, Endstand 4:1
War das aufregend… Zum ersten Mal hat sich kein Mitreisender für eine Tour gefunden, da ist doch klar, dass man auch mal alleine fahren muss – oder?? Also Solo-Premiere. Die begann, wie so oft, früh am Tage mit der Bahn, ich erwarb eine gute Verbindung für knapp 44,- Euro nach Leuven. Das Wetter versprach gut zu werden, es war dieses warme Wochenende im Oktober (um die 20 Grad und drüber); entsprechend leicht war das Gepäck.
Zunächst lief auch alles rund, doch nach Umstieg in Köln hieß es, in Düren müsste der Zug aus technischen Gründen(!) getauscht werden, da es am früheren Morgen auf der Strecke eine größere Verspätung gab und der hiesige ICE nicht belgientauglich sei. Also mussten zwei ICE-Ladungen über einen schmalen Bahnsteig getauscht werden – ein Gedränge wie beim Metallica-Konzert.
Bald stand fest, dass wegen der entsprechenden Verspätung der Anschluss in Lüttich nicht erreicht werden würde, und wie ich da so im Bistro-Waggon neben dem Infopoint stand, geriet ich mit einem Hamburger ins Gespräch. Schnell stellte sich heraus, dass er auch nach Leuven fuhr und denselben Anschluss brauchte. Es stellt sich weiterhin heraus, dass er auch zum Stadion Den Dreef wollte. Und es stellt sich heraus, dass er sich im selben Hotel, dem Hotel Industrie direkt am Bahnhofsplatz, eingemietet hatte.
Zuletzt stellt sich noch heraus, dass er als HSV-Fan öfter europaweit zum Fußball fährt. Daher wusste er auch, dass die europäischen Länder unterschiedliche Stromspannungen in den Oberleitungen haben, aber die Bahn nur wenige ICE unterhält, die für Fahrten außerhalb Deutschlands kompatibel sind, womit dieses Thema aufgeklärt war. Mit der Zugbindung ist es in Belgien nicht so streng, daher konnten wir die Stunde Wartezeit in Lüttich nutzen, um im nahen The Barrel Café eine kleine Erfrischung zu genießen.
In Leuven angekommen checkten wir zunächst im Hotel ein, und ich musste erstmal schauen, wie sich Eintracht in Dresden geschlagen hatte. Leider gelang das nicht, da der Videotext nur 1. Liga hergab und das W-LAN im 2. Stock nicht funktionierte. Also schickte ich eine SMS an eine Vertrauensperson, bevor wir in die Stadt gingen. Dort gab es so viel zu sehen, eine wunderschöne Altstadt, in der man einiges an Zeit verbringen kann. Nach ausgiebigem (Foto-)Bummel sahen wir uns in einem Café noch die zweite Halbzeit Dortmund – Schalke an und kehrten danach zum Hotel zurück, um Sachen abzuladen. Belgische Pralinen sind ja sehr beliebt, und ein paar Sorten Bier zum Kosten wurden auch erstanden.
Nun wurde es auch langsam Zeit für Fußball, zwischendrin hatte ich vom 2:0 der Blau-Gelben gehört und meine Stimmung war bestens. Zu Fuß gingen wir die 2,5 km an. Beide hatten wir über das Internet sogenannte Vouchers erstanden, die an dem entsprechend ausgeschilderten Ticketschalter am Stadion Den Dreef gegen eine Karte eingetauscht werden mussten, was mit Bravour gelang. Hätten wir jetzt auch noch denselben Block gebucht gehabt, wäre es unheimlich geworden… So blieb noch Zeit für Fritten und Frikadellenwurst (scheint der niederländischen Frikandel zu gleichen) sowie einen Fanshopbesuch. Auffällig waren die vielen verschiedenen Sponsorenlogos auf den Trikots, auch in Eupen, scheint in Belgien nix besonderes zu sein. Macht ja auch Sinn wenn es keinen Großsponsor gibt, sieht halt nur nicht so doll aus.
Der Anpfiff nahte, und ich nahm meinen Sitzschalensitzplatz ein (eine Rückenlehne kann man wohl für 26,- nicht erwarten…). Beide Teams gingen offensiv zu Werke, das machte schon mal gleich was her. Vor allem für die Gästefans, denn bereits nach 6 Minuten hatte Brügges Carlos Bacca, der aktuell die Torjägerliste anführte, eine passgenaue Hereingabe von außen zum 0:1 verwertet, Logan Bailly, einigen sicher noch bekannt aus der Bundesliga, war chancenlos.
Nur 5 Minuten später glich Oud-Heverlee Leuven per laang und läänger werdendem Freistoß aus dem linken Halbfeld aus. Ebrahim Savaneh, nur „Ibou“ genannt, war der bejubelte Schütze. Der FC Brügge blieb spielbestimmend, konnte aber bis zur Pause keine der vielen Chancen verwerten – allein dreimal war Aluminium im Weg, auch Bailly zeigte einiges. Besser machte es in der 37. Minute erneut Ibou, der einen der wenigen guten Angriffe der Gastgeber kühl abschloss. Da war die Stimmung der 9.500 im erstmals nach Umbau ausverkauften Stadion natürlich bombig. „Sweet Caroline“ von Neil Diamond war die Tormusik, und das von allen mitgesungene „Oh, oh, oh“ im Refrain passte natürlich super zur Nachbargemeinde im Vereinsnamen, Oud-Heverlee.
In der zweiten Halbzeit wurde das Spiel härter, in 2 Minuten sahen 3 Spieler des Club Brügge KV den gelben Karton. Den hatte Leuvens starker Verteidiger Thompson schon, als er in der 69. seinen Ballverlust durch sofortiges Textilfoul am Gegner ausbügeln wollte – Gelb-Rot. Nicht wenige wähnten nun die Gäste vorn, doch liefen die in Überzahl in einen Konter, an dessen Ende ein Foul am entwischten Ibou im 16er stand (79.). Rot wegen Notbremse führte wieder zu personellem Gleichstand auf dem Rasen, und der Gefoulte verwandelte den Elfer selbst. Brügge suchte noch den Torerfolg, fing sich aber erneut einen Konter – 4:1, kurz danach war Schluss und Ibou neuer Führender in der Torjägerwertung.
Nach dieser in der Höhe nicht völlig verdienten Demontage des Spitzenreiters latschten wir durch still gewordene Straßen zum Martelarenplein zurück, so heißt der Bahnhofsvorplatz, an dem auch unser Hotel lag. Dort wurde in einer der Bars noch ein Absacker genommen, bevor es angenehm ermattet in die Falle ging. Zum Hotel sei noch gesagt, dass es eins der billigeren in Leuven ist, mit 45,- für ein EZ mit Dusche auf dem Flur inklusive okayem Frühstück. Das Flair? Ist ungefähr so, wie man sich ein Haus, das ehemals großen Glanz hatte, mit einem Betreiber im Rancid-T-Shirt vorstellt. Es ist sauber, aber am inneren Erscheinungsbild könnte man mal was machen. Da helfen auch die verbliebenen Dekoelemente aus den 30ern nicht mehr viel.
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KAS Eupen – Royal Antwerp FC
21.10.2012, 2.Division, Stadion am Kehrweg, Endstand 1:1
Das Frühstück gab es unten im hinteren Teil des Restaurants, in dem sich übrigens auch die Rezeption befindet. Bald darauf stand dann auch schon die Abreise an, natürlich mussten wir beide wieder nach Lüttich, auch Liège oder Luik genannt, je nachdem welcher der drei belgischen Sprachen man mächtig ist. Es ist eh faszinierend, wie das mit den Sprachgruppen untereinander klappt – man kann sich doch nie sicher sein, ob der andere dieselbe Sprache spricht, da fühlt man sich doch wie ein Tourist im eigenen Land, oder? Andererseits macht genau das vielleicht die vielgerühmte Mentalität der Belgier aus. Wie auch immer, in Lüttich trennten sich unsere Wege wieder (an dieser Stelle herzliche Grüße nach Hamburg), und meiner führte über Verviers, wo es auch ganz schön zu sein scheint, nach Eupen. Überraschend für mich war die Tatsache, dass diese Orte an der Weser liegen.
Der Bahnhof dort ist ein sehr gewöhnungsbedürftiger Neubau, sehr klein dazu. Keine Schließfächer. Aber ich konnte meinen Rucksack am Ticketschalter abgeben. Einfach so, und das auf ´nem Sonntag um 10.30 Uhr! Bis 18 Uhr, kein Problem. Wow. Kamera gegriffen und los. Je näher man dem Zentrum kam, desto offensichtlicher wurde, dass in Eupen gerade einiges passierte, es wurde gebaut, instandgesetzt, usw. Muss aber auch, denn gerade einige denkmalgeschützte Bauten bräuchten noch Zuwendung.
Zeit war genug da, um um den Stadtkern herum einige Sehenswürdigkeiten in Augenschein zu nehmen. Auf dem Platz vor der imposanten St. Nikolauskirche kann man zentral sitzen und etwas essen oder trinken, meine Wahl fiel auf Käsekroketten mit Salat, sehr lecker käsig das. Der Verdauungsspaziergang führte mich dann in Richtung Stadion am Kehrweg. Den ordentlichen Kaperberg hinauf (wer beim Betzenberg stöhnt, sollte hier nicht hochgehen sondern -fahren), am Kreisverkehr links und weiter dem Kehrweg bergan bis zu dem unscheinbaren grünen Metalltor folgend.
Leider war das noch nicht offen, sodass ich unbedacht weiterging, den ganzen dämlichen Kehrberg rauf (380 m hoch) und hinten wieder runter, zur Rückseite des Stadions, wo der VIP- und Presseparkplatz ist. Dort war auch ein Wasserwerfer aufgefahren, und wie ich am Eingangstor erfuhr, war das heute ein Risikospiel. Deswegen konnte mich der nette Securitymann auch nicht hinten durch ins Stadion lassen, und ich musste den ganzen Weg zurücklatschen – wieder bergauf und den halben Berg runter. Ich war ja früh genug dran, und jetzt war das Tor auch offen, sodass ich eine Karte (15,- Sitzplatz) erstehen konnte.
Mittlerweile war auch der Securitymann hier angelangt und wir kamen etwas ins Gespräch. So erfuhr ich, dass der Verein sich im Juli 2012 aus Geldsorgen die Aspire Academy aus Katar zum „Partner“ genommen hat, was zu einem Boykott eines Großteils der engeren Fanszene geführt hat. Aktuell kommen also nur wenig Zuschauer, und von denen sehen viele diese „Partnerschaft“ ebenfalls skeptisch, zumal der Kader mindestens bis zur Hälfte mit jungen afrikanischen Talenten befüllt wurde. Dazu kommt, dass fast das gesamte Trainerteam zur neuen Saison ausgewechselt wurde und damit Wolfgang Frank, der Ex-Braunschweiger, trotz sehr erfolgreicher Arbeit gegangen wurde. Frank hatte sich wohl schnell zum Publikumsliebling entwickelt, indem er aus einer zerfallenden Abstiegself in kurzer Zeit eine funktionierende Mannschaft zauberte, mit der sich die Fans voll identifizieren konnten und die knapp den Wiederaufstieg verpasste. Nicht zuletzt deswegen wittert man Benachteiligung durch den Verband, scheinbar liegt die Stadt zu dezentral und passe nicht in die Pro League, angeblich habe das ein Funktionär auch mehr als indirekt zugegeben.
Nun kam ein Herr aus den oberen Clubetagen dazu, dem ich mit den Worten „Du, kuck ma, der kommt aus derselben Stadt wie der Frank“ vorgestellt wurde. Der erzählte mir dann noch einiges über Aspire, bzw. warb er eher um Verständnis für diese Entscheidung (Geld ist ja auch wichtig, und die machen doch moderne Arbeit in Katar, organisieren Spiele gegen große Mannschaften), wusste aber auch von einem Eintracht-Fan aus Eupen zu berichten, der mehrmals in einer Saison nach Braunschweig fährt um Spiele zu besuchen. So etwas erlebt man wahrscheinlich eher, wenn man allein reist – schön.
Zum Spiel vor 2500 Zuschauern gibt es nicht so viel zu sagen. Verhaltene Anfangsphase auf Augenhöhe, Eupen mit einem Durchschnittsalter von etwa 19 Jahren zeigte gute Ansätze, aber man sah schon, dass da noch nicht alles Gold ist was glänzt. Auch Torjäger Ibusuki, dem letztes Spiel ein Hattrick gelang, blieb unglücklich in seinen Aktionen. Dennoch in der 37. die Führung nach einem gelungenen Angriff der KAS Eupen durch Lallemand, so ging es auch in die Pause.
Nach dem Seitenwechsel kam der Royal Antwerp FC zu mehreren guten Chancen, und eine davon nutzte Van Tournhout und ließ dem deutschen Keeper Deumeland, der längere Zeit für Wolfsburgs U23 hielt, keine Chance. Nun gaben die Hausherren wieder mehr Gas, allein die Abschlüsse gerieten zu schwach. Da half auch die Gelb-Rote gegen Antwerpens Komel nach wiederholtem grobem Foulspiel nichts, die Gäste brachten das Ergebnis gut über die Zeit.
Die Stimmung war eher mau, gelegentlich ein „Allez Eupen“ in der Melodie von „Allez les Bleus“ war das höchste der Gefühle. Die Gästefans zeigten sich da sangesfreudiger, waren aber auch nur mäßig laut. Genervt haben diese blöden Klatschhände-Rasseln, das hatte so was von Basketball-Atmo, zusammen mit dem Fußgetrampel auf den Holzböden der Sitztribünen.
Da ich direkt nach Abpfiff gegen 16:48 Uhr das Stadion verließ, schaffte ich sogar den IC nach Lüttich um 17:15 statt wie geplant um 18:15 Uhr, so nah liegt alles beieinander. Leider wurden aus der Stunde Aufenthalt dort fast 90 Minuten, der ICE nach Köln baute kurz vor Lüttich eine ordentliche Verspätung auf. 25 Minuten, 35 hatte ich in Köln zum Umsteigen in den letzten ICE nach Berlin über Braunschweig.
Man ahnt es vielleicht schon… Kurz nach Abfahrt kam die Durchsage, dass der Zug heute aus technischen Gründen(!) über Nebenstrecken nach Aachen geleitet wird, dort würde eine Verspätung von 45 Minuten entstanden sein – herzlichen Dank. Am Servicepoint im Bistrowaggon (man sieht, ein wichtiger Ort dieser Fußballreise) war der Teufel los, und die Zugbedienstete versuchte alles, um Ersatzverbindungen zu finden und den Anschluss-ICE zum Warten zu bewegen – zwecklos, da sonst fast alle weiteren Anschlüsse verpasst würden. Also, alle Zugreisenden, die funktionierende Verbindungen fahren: Denkt wenigstens beiläufig mal daran, dass eventuell irgendwo in der Republik Fahrgäste einfach am Ar*** sind. Danke, ich werd´s auch tun.
Also in Köln alle zum Servicepoint, für mehr als eine Stunde dürfte der lahmgelegt gewesen sein. Zum Glück hatte ich den Montag frei genommen, insofern konnte ich relativ entspannt den Hotelgutschein annehmen und mein Ticket auf eine Verbindung am nächsten Morgen umschreiben lassen, diesmal ganz ohne technische Gründe. 50% des Reisepreises dürften mir in den nächsten Tagen auch noch zugehen. Insofern kann ich sagen, dass ich mit dem Krisenmanagement in diesem Fall zufrieden war – aber ich musste ja wie gesagt auch nicht arbeiten…
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