Torflut in Tallinn – Drei Spiele an einem Samstag
13.09.2014, Meistriliiga
JK Tallinna Kalev – JK Sillamäe Kalev
13.00 Uhr – Kalevi Keskstaadion, Endstand: 1:8
FC Tallinna Infonet – Nõmme Kalju FC
16.00 Uhr – Sportland Arena, Endstand: 1:3
FC Flora Tallinn – FC Lokomotiv Jõhvi
19.00 Uhr – A. Le Coq Arena, Endstand: 6:2
Selten hat man die Gelegenheit, drei Fussballspiele an einem Tag zu sehen. Hier in Tallinn gibt es heute 3x erste Liga im Dreistundentakt. Schauplätze sind drei verschiedene Stadien, alle ausgesprochen nahe beieinander. Perfekte Voraussetzungen für einen unterhaltsamen Nachmittag.
12.10 Uhr +++
Für einen Samstag muss das reichen. Ich verabschiede mich bei der Arbeit. Der Spieltag wartet schließlich nicht
12.35 Uhr +++
Hmm. Das Warten auf dieses Mittagessen wird mich den Anpfiff kosten. Aber eine Stärkung muss sein. Schließlich hält der Nachmittag mit drei Spielen einen regelrechten Marathon für mich bereit.
13.00 Uhr +++
Anpfiff im Kalevi Keskstaadion. Tallinna Kalev, der Tabellenvorletzte der ersten estnischen Spielklasse empfängt den zuletzt gut aufgelegten Viertplatzierten JK Sillamäe Kalev. Für mich aber geht es währenddessen noch schnellen Schrittes vom Vabaduse Väljak, dem Freiheitsplatz, rüber zum Stadion.
13.04 Uhr +++
Trommel und Gesang als ich die Straße ‘Staadioni’ hinauf komme. Das wundert mich, denn bei meinem letzen Besuch vor drei Wochen war hier keinerlei akustischer Heimsupport vorhanden. Sollten etwa die Gäste aus Sillamäe ein paar Leute dabei haben?
13.06 Uhr +++
Tageskasse 4€. Der Eintrittspreis beim JK Tallinna Kalev hat sich ohne erkenntlichen Grund verdoppelt. Als ich auf der Haupttribüne Platz nehme zeigen die Anzeigetafeln bereits 0:1. Beim letzten Mal bekam Kalev hier 7 Tore eingeschenkt. Droht heute eine ähnliche Schlappe?
Ein Blick ins Rund: Erneut ein sehr dürftiger Besuch. Aber tatsächlich hat Sillamäe eine kleine Gruppe Unterstützer dabei, die ihre Mannschaft energisch abfeiern und – da ist’s passiert – auch schon wieder das 0:2 bejubeln.
13.25 Uhr +++
0:3 Das Unheil nimmt seinen Lauf. Sillamäe kombiniert nach Belieben und die 9 Jungs auf der Tribüne machen weiter Show. Die Gesänge sind auf russisch. Es fällt auf, dass der Trommler wieder der Dickste ist. Bei Baggerfahrern und Trommlern greifen da oft gewisse Muster.
13.45 Uhr +++
Die Hälfte ist rum. 1:5 mittlerweile. Ich schaue zu den Nebenplätzen. Dort läuft ein Halbfeld-Jugendspiel und auf der anderen Hälfte ist ein weiteres in Vorbereitung. Schon verrückt. Da sitzen in Summe mehr Muttis und Vatis rum, als der Erstligakick nebenan Zuschauer hat. Muttis und Vatis hören wahrscheinlich auf zuzugucken, sobald ihre Jungs nicht mehr süß und blond sind sondern Pickel bekommen und auf den Rasen rotzen. Ab da bleiben nur noch ein paar verlorene Zuschauer.
14.00 Uhr +++
Weiter geht’s hier und los geht es auch in Leipzig, wo die Braunschweiger Eintracht doch hoffentlich den drohenden Fehlstart in die Saison abzuwenden vermag. Es wird mitgetickert hier in Tallinn.
14.20 Uhr +++ Live Bilder
14.25 Uhr +++
Sillamäe Kalev hat noch zwei Tore nachgelegt. Leipzig hat zwei vorgelegt. Letzteres hebt nicht unbedingt meine Laune. Außerdem ist es bei weitem nicht so warm wie gedacht. Der Sommer scheint im letzten Wochenende zurückgeblieben zu sein.
14.35 Uhr +++
Isn’t. Mit dem Blick auf die späteren und voraussichlich kühleren Spiele ändere ich meinen Plan. Aus dem Ground-zu-Ground Spaziergang wird nichts. Erstmal geht es nach Hause, um eine Jacke zu holen. 1:7 sagt die Anzeigetafel als ich mich verabschiede.
15.20 Uhr +++
Auf dem Weg zum Bus. Die Eintracht ist auf 1:2 herangekommen. Auch den bevorstehenden Anpfiff in der Sportland Arena sollte ich packen.
15.40 Uhr +++
Fuck!
16.00 Uhr +++
Auftakt beim Tallinner Derby vom FC Infonet gegen Nõmme Kalju. Die Gastgeber rangieren auf Platz 5 der Tabelle, zwei Plätze hinter den sich noch im Titelrennen befindlichen Kalju. Auch wenn Infonet keine Spitzenmannschaft sind, können sie diesen an einem guten Tag die Stirn bieten. Es verspricht spannend zu werden.
Die ‘Sportland Arena’ entpuppt sich quasi als B-Platz der Le Coq Arena. Eine dreistöckige Stahlrohrtribüne auf einer Längsseite des Platzes. 500 passen rein. That’s it. Der Rest ist nicht begehbar. Aber mal ehrlich: Bei den 338 Anwesenden ist das auch einfach angemessen. Man sitzt mal wieder etwas enger, während sich in den anderen Stadien hier jeder seinen Picknickplatz sucht.
16.03 Uhr +++
Nõmme Kalju gehen früh in Führung. Der Japaner Wakui verwandelt einen Strafstoß in der dritten Minute. Exoten wie Wakui oder der Brasilianer Nunes sind es, die den Unterschied im Selbstverständnis ausmachen. Sie haben zumindest Stationen wie Porto Alegre oder Bohemians Prag im Lebenslauf und sind Ausdruck des Anspruchs von Kalju. Auch bringen sie ein bisschen Vermarktungsmöglichkeit mit in ein Land, in dem der Fußball sich schwer tut.
Wie ich schon bei deren Heimspiel gegen den FC Flora sah, hat Nõmme Kalju eine kleine und organisierte Fangemeinde. Von ihnen geht auch heute der Support aus. Die Leute wirken ganz locker. Der Infonet-Anhang scheint sich mehr aus Familen und Vereinsmitgliedern zu speisen. Viele sind russischsprachig.
16.30 Uhr +++
Der Schatten der benachbarte Le Coq Area legt sich über die Tribüne des Sportland Arena. Alles richtig gemacht mit der Jacke.
16.45 Uhr +++
Infonet spielt engagiert und mit hohem Aufwand. Kalju kommen tatsächlich etwas abgehalftert daher. Technisch besser, aber manchmal ohne große Einsatzfreude. Als man sich gerade auf den Pausenstand 1:1 einstellen will, trifft Nõmme Kalju aber doch noch einmal. 1:2 – bitter für Infonet.
17.30 Uhr +++
Nõmme Kalju führen 3:1 und spiel das nun mit wohl dosiertem Aufwand runter. Auf Seiten von Infonet ist der Kräfteverschleiss spürbar, bei Kalju die Cleverness.
17.45 Uhr +++ Live Bilder
17.45 Uhr +++
Spielschluss. Letztendlich verdienter Sieg für Kalju. Das lange Zeit enge Spiel hat Spaß gemacht und auch die größere Nähe auf den Rängen war topp.
17.50 Uhr +++
Wie bereits angesprochen ist der nächste Schauplatz, die A. Le Coq Arena, nur 30 Meter entfernt. Ein Spazierganz füllt die Stunde. Das Stadion ist in einem Gleisdreick gelegen. Stadtnah und gut angebunden, kann sich das hier durchaus sehen lassen. Was fehlt ist die oft geforderte Kneipen-Infrastruktur. Die Anzahl der Gäste wäre aber wohl auch hier eher beschränkt.
Was bereits von außen auffällt ist, dass sich die Arena mit ihren hohen Dächern ‘groß’ macht. Auch hier spiegelt sich das Streben nach Wachstum wieder, der den estnischen Fußball kennzeichnet.
18.30 Uhr +++ Live Bilder
19.00 Uhr +++
Drin. Der amtierende Meister FC Flora Tallinn empfängt das Schlusslicht, den FC Lokomotiv Jõhvi aus dem Osten des Landes. Es sollte also sportlich eine klare Angelegen heit werden. Ganze 230 Zuschauer verlieren sich der gut 10.000 Besucher fassenden A. Le Coq Arena. Das Stadion selbst ist ganz gelungen. Es ist ein moderner Komplex. Die Vielzahl an Logen etc. zielen eindeutig auf die Parallelfunktion als Nationalstadion ab. Flora könnte diese nicht annähernd füllen. Um die Einschätzung zu komplettieren, teste ich auch das Getränk der lokalen Bierbrauers, Herrn Le Coq.
19.15 Uhr +++
Bereits nach 14 Minuten sind Flora 3:0 vorne. Das scheint hier ganz bitter zu kommen. Der etwa 30 Mann fassende Stimmungsblock hinter dem Tor stimmt gelegentlich Gesänge an. Meinen Hut ziehe ich vor den vier Mann aus Jõhvi, die sich hier – wenn auch lattenstramm – gut bemerkbar machen.
19.45 Uhr +++
Flora hat etwas nachgelassen und Jõhvi hat sich reingekämpft. Mit langen Bällen geht gelegentlich was. So kam Lokomotiv sogar zum Anschlusstreffer. Man hatte es nicht erwartet, aber Lok ist im Spiel. Die vier Jungs feiern groß.
20.15 Uhr +++
Mit der zweiten Hälfte legt sich ein schöner Sonnenuntergang hinter die Tribüne. Auf dem WC lässt ein Aufkleber aus der Braunschweiger Heimat aufmerken, aber ansonsten passiert hier wenig. Jeder Zuschauer hat hier und heute 44,39 Plätze für sich. Dass das kein tosender Hexenkessel ist, versteht sich von selbst.
20.30 Uhr +++ Live Bilder
20.45 Uhr +++
Auch die zweite Hälfte endet 3:1 für Flora. Endstand ist ein seltenes 6:2. Gemessen an der ersten Viertelstunde ist das noch ein recht zahmes Resultat für Lokomotiv. Der Spitzenreiter hat die Pflichtaufgabe mit reduziertem Aufwand erfüllt.
21.00 Uhr +++
Auf dem Heimweg rechne ich durch. Endstand des Tages 8:13. Über Torausbeute kann man nicht klagen. Die Zuschauerzahl hätte aber auch gern höher ausfallen dürfen.
Ist aber egal an diesem schönen Abend nach einem schönen Tag in dieser schönen Stadt. fg
Weitere Fussballkultour Links aus Estland:
Zwei Tallinn Derbies – Unser Bericht
Nõmme Kalju FC – FC Flora Tallinn – Unser Video
Fundstück im Wald – Das Pirita Velodrom