- Russland: Zhavoronki

 

Raus auf’s Russland

 

Torpedo_Zhavoronki_Badge_sm  FK Torpedo Zhavoronki – FK Iskra Protvino  FK_Iskra_Protvino_Badge_sm

20.09.2014, Moscow Region Championship League D, Endstand: 8:3

Die jüngste Stippvisite in Moskau ließ nur den Samstagnachmittag frei für den Fußball. Da der Spielplan der höheren Ligen nix hergab, lud unser Freund Artem zu einem Ausflug auf’s Land ein.
Vom weißrussischen Bahnhof aus geht es mit dem Pendlerzug hinaus ins 40km westlich der Stadt gelegene Zhavoronki. Die breiten Regionalzüge erfreuen sich auch bei Fußballfans größter Beliebtheit, wie mir Artem versichert. Kann man ein Spiel seiner Mannschaft mit zwei Regionalzügen erreichen, gilt dies nicht als ‘Auswärtsspiel’, sondern als ‘Lokalspiel’. Das gilt mitunter selbst für 400km entfernte Ziele. Anders als in den russischen Fernzügen, gibt es hier keine Platzkarten und keine Schaffnerin für jeden Waggon, der den Einlass kontrolliert. Die Züge sind von vorn bis hinten begehbar. Folgerichtige Zusatzübung unter Fußballanhängern ist es dabei natürlich, nicht zu bezahlen. So werden die Bahnsteige häufig Schauplatz unverhofften Gerennes, immer dann wenn die Schaffnerin naht und man diese zu umgehen versucht.

torpedo-zhavoronki-fk-iskra-protvino_03 In Richtung Zhavoronki ist wenig davon zu sehen. Der Zug füllt sich mit Berufspendlern, die Samstagmittags ins Wochenende fahren, Ausflüglern oder die Familie besuchenden Städtern. Im Städchen selbst herrscht rund um seinen Bahnhof beachtlicher Geschäftigkeit. In Russland ist der Handel in kleinem Rahmen viel wichtiger als in Mitteleuropa. Gelten in Berlin die Märkte oft als intreressante oder gar kreative Orte des wochenendlichen Zeitvertreibs, ist das hier völlig anders. Das hier ist reiner Wahrenumschlag, ohne jegliches Abfeiern. Hier sitzen Großmütterchen mit 20 Gläsern eingemachtem Kohl neben der mongolischen Bude mit glamurös-kitschigen Textilien.

Wir decken uns noch mit Picknickproviant ein und steuern in Richtung Fußballplatz. Der ortsansässige Club ‘Torpedo’ hat hier vor wenigen Wochen eine brandneue Spielstätte bekommen. In der Tat sieht hier alles noch frisch aus, als wir über die Laufbahn zu den kleinen Tribünen schlendern. Zwanzig Minuten bis zum Spielbeginn, aber hier ist nur eine Person, die Hütchen stellt – seltsam, seltsam. Als wenig später Torpedo zum Warmmachen kommt, hört Artem raus, dass sich der gegnerische FK Iskra Protvino verspätet. Auch entsprechend verspätet, aber dann doch wieder passend weil gewarnt, kommen die Zuschauer, als es schließlich doch losgeht. Dorffußball eben.

Allein der Anblick der Iskra-Mannschaft erzählt dann auch die ganze Vorgeschichte. Ich habe sie in der aktiven Zeit auch manches Mal erlebt. Man wartet noch eine Viertelstunde länger am Treffpunkt, zählt noch ein x-tes Mal durch und stellt erneut fest: ‘Wir sind nur Neun.’ Spätestens dann beginnt das Telefonieren, es wird bei Leuten vorgefahren und irgendwen zieht man – meist verkatert – noch aus seinem Bett.

torpedo-zhavoronki-fk-iskra-protvino_08 Im Falle des FK Iskra hier scheint auch noch der Vater von einem mitgekommen zu sein. Die Bank ist völlig blank. Es gibt nicht einmal einen Betreuer. Der Torwart hat keine Handschuhe, zeigt aber durchaus beachtliches Flugverhalten. Dennoch ist nicht zu verbergen: Das Leistungsgefälle innerhalb dieser ‘Notelf’ ist so groß, wie die Altersspanne. Zwar gehen die ‘Funken’ sogar in Führung, aber Torpedo vermag das schnell gerade zu rücken und den Nachmittag ganz nach seinem Geschmack zu gestalten.

Wegen der verlorenen Stunde brechen wir zur Halbzeit auf. In Moskau wartet die nächste Verabredung. Wir beenden den Nachmittag in eine Art Gastro-Kneipe in der Nähe des Bahnhofs. Oktoberfest-Dekoration und bayrische Musik, völlig unsanktioniert. Muss man mögen. Ist aber auch egal, so lange man auf das Wiedersehen anstoßen kann. fg

Fotogalerie zu unserem Ausflug (zum Vergrößern klicken)


Weitere Links:

Iskra Ultras
FK Torpedo Zhavoronki (Торпедо-Жаворонки)