Wolfenbüttel Derby

 

 MTV Wolfenbüttel – BV Germania Wolfenbüttel

22.09.2013, Landesliga Braunschweig, Meesche-Stadion, Endstand: 5:0

 

First steps

Ich mag ja Effizienz ganz gerne. Von daher ist mir das tapfere Schneiderlein der Gebrüder Grimm in Teilen sympathisch – “Sieben auf einen Streich” ist doch wohl ein Begriff? Fliegen, Obstmus auf Brot, Gürtel und so weiter? Während der Vorbereitung kamen dann auch immer mehr “Fliegen” zusammen:

Nr. 1: Ein Spiel in Wolfenbüttel fehlt noch auf der Fussballkultour-Deutschlandkarte.
Nr. 2: Die Oma freut sich auch mal wieder über Besuch.
Nr. 3: Da gibt´s bestimmt lecker Mittag und Kaffee.
Nr. 4: Körperliche Betätigung kann man immer gebrauchen, die Fahrradstrecke ist so schön.
Nr. 5: Beim alten Verein vorbeischauen ist sowieso überfällig, auch wenn er nicht mehr WSV heißt.
Nr. 6: Wenn noch Zeit ist: Die Cousine hat noch die Kuchenplatte.

Wolfenbüttel Okay, keine sieben, aber sechs mit einer Klappe wäre doch auch was. Also galt es, keine Müdigkeit vorzuschützen und den Astralkörper am Sonntagvormittag aufs Fahrrad zu schwingen. Vorher erfolgte natürlich nochmal die Absicherung der Route via Google Maps, um nicht doch bei den Riesen im tiefen Wald zu landen. Erst radelte ich also durch den Bürgerpark, dann am Kennelbad vorbei,  danach am Südsee entlang um schließlich der Oker bis Leiferde zu folgen. Es wurde da schnell ländlich, leider ließen sich die schönen Aussichten nicht bzw. kaum genießen, da ich kein Super-Federgabel-undso-Mountainbike mein Eigen nenne und so meist darauf bedacht sein musste, die Reifen und Felgen nicht zu ruinieren. Seltsamerweise war das meist bei den alten, asphaltierten Strecken der Fall, dort wo Feldweg war, ging es ganz gut. Und pünktlich zum Mittagessen kam ich bei meiner alten Großmutter an, die sich freute “den Jungen” zu sehen.

 

It´s killing time

Also: Bam! Eine erste Fliege erlegt – im Geiste wohlgemerkt, für diesen Beitrag wurden keine Tiere gequält. Nach dem Kaffee – Zack! Noch eine Fliege – machte ich mich dann auf zum Meesche-Stadion, das sich allmählich füllte. 379 betrug die offizielle Zuschauerzahl, zu denen man aber noch die diversen vereinseigenen Jugendspieler zählen muss, die sich sicher an der Statistik vorbeigemogelt haben.

Beide ursprünglich von den Stadien her benachbarte Teams trafen in der Form zum dritten Mal aufeinander, in den vorigen Duellen gab es jeweils ein 1:1. Ortsfremde werden sich fragen: So dicht beieinander und nur drei Partien? Dazu muss gesagt werden, dass sich der Vorgängerverein des MTV, der Wolfenbütteler Sportverein von 1945 e.V. (WSV) Anfang der 2000er finanziell verhoben hatte. Es wurden Fusionsgespräche geführt, u.a. auch mit dem BV Germania Wolfenbüttel, aber der einzige Verein, der am Ende zur Verfügung stand, war der ziemlich fußballfremde Männerturnverein von 1848 (MTV) mit dem eigentlichen Schwerpunkt Leichtathletik. Wären wir wieder bei Fliegen und dem Teufel in der Not, das Ende des WSV war besiegelt.
Vor wenigen Jahren zog dann der Ballspielverein Germania aus dem Zentrum Wolfenbüttels an den östlichen Ortsrand, wo ein neues Gelände bebaut wurde. Auf dem alten hätte die Stadt gerne ein Luxushotel entstehen gesehen, gleichwohl fehlt bis heute ein Investor bzw. ein guter Verwendungsplan. Aber zurück zum Tagesgeschehen.

Wolfenbüttel
Noch vor dem Spiel musste ich erstmal eine Runde über das Gelände drehen. Der alte Hartplatz, der nun mit Rasen bewachsen ist, die Butze mit den damals so groß wirkenden Umkleiden und dem Geräteschuppen, die Vereinsgaststätte, der immer betretbare Rasen, wo jederzeit Kopf-Hacke zu spielen ging – herrlich, diese Erinnerungen. Sogar die Hochsprungmatte lag noch hinter dem Tor, von der aus wir damals die Spiele der Alten wie Lunter, Prediger, Kammel, Menzel, Rossa, Siebart, Guderian und wie sie alle hießen verfolgten. Und: Rumms! Die nächste Fliege war eine Ex-Fliege.

 

Kick off

Die Teams machten sich allmählich hinter der alten Tribüne bereit und der Schiri gab kurz darauf das Spiel frei. Die erste Viertelstunde war jetzt nicht so spektakulär, man tastete sich ab, brachte die Aktionen nicht mit letzter Vehemenz zu Ende. Allmählich gewann der MTV aber die Oberhand, und spätestens mit dem 1:0 wurde die Partie doch recht einseitig. Darauf deutete die Tabelle, in der die als Wieder-Aufsteiger gut aus den Startlöchern gekommenen Germanen vor den Gastgebern standen, überhaupt nicht hin. Vor allem bei Standards, die es ausreichend gab, offenbarte der Gast Schwächen, bzw. hatte die Heimmannschaft ihre Stärken. Kann man in unserem Video auch gut sehen. Zur Pause stand ein 2:0, was sicherlich in Ordnung ging. Gute Ansätze ja, aber eine Großchance für Germania gab es bis dahin nicht.

Wolfenbüttel Auch nach dem Seitenwechsel bot sich ein klares Bild. Nur der Gästekeeper passte da vorerst nicht rein, denn er reagierte ein paar Mal glänzend und bewahrte seine Gelb-Blauen vor weiteren Gegentreffern. Als Mitte der 60er Minuten dann nach einer etwas ruppigeren Phase ein Germane mit Gelb-Rot runter musste, war die Sache so gut wie erledigt. Weitere 2 Kopfballtreffer durch die langen Kerls des MTV folgten, dazwischen noch ein paar letzte Versuche des Aufbäumens, aus denen die größte Chance des BV resultierte – zum Endstand führte ein Handelfmeter nach einer missglückten Freistoßabwehr. Kurz darauf blies der gute Unparteiische mit dem Abpfiff einer weiteren imaginären Fliege das Licht aus. Nicht genug mit den fünf Gegentreffern für Germania, einige MTV-Fans stimmten auch noch mehrmals “Die Nummer 1 der Stadt sind wir” an. Das war dann auch das derbyhafteste an dieser Begegnung.

 

The end

Wolfenbüttel Da nun leichter Nieselregen und Dunkelheit einsetzte, machte ich mich auf den Heimweg. Mit deutlich weniger Genuss am Radeln brachte ich die Kilometer schnellstmöglich und direkter hinter mich. Als ich das Rad in den Keller trug, fiel mir ein, dass ich die vermaledeite Kuchenplatte ganz vergessen hatte. Dabei knallte ich mit der Pedale gegen den Rahmen der Kellertür, dort muss dann wohl die letzte Fliege gesessen haben. So gab ich mich also mit “Fünf auf einen Streich” zufrieden – und mag das Schneiderlein mir auch über sein, am Abend im gemütlichen Sessel habe ich mich doch immerhin ein bisschen wie ein König gefühlt.

 

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