Spot: St. Petersburg (RUS)

 

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11.11.2013 

Petrowski Stadion – Eine Festung

piter01 Nur wenig Zeit blieb für den Fußball bei meinem Aufenthalt in St. Petersburg. Mein Besuch galt einer Stadt, die wohl unumstritten zu den schönsten des Kontinents gehört und es in vielerlei Hinsicht mit Paris aufnehmen kann. Da erscheint selbst einem Fußballenthusiasten der Besuch irgend eines Zweitligaspiels im Novemberwind als nicht zwingend notwendig. Auch Zenit waren nicht zu Hause in diesen Tagen. Dennoch führte mein erster Weg zu ihrer Spielstätte, dem Petrowski Stadion.

Schock: Viertel vor neun steige ich in Petersburgs Moskovsky Bahnhof aus dem Nachtzug, freue mich auf den Tag und die Stadt, aber es ist stockfinster. Und kalt. Alle versuche, die Dunkelheit über etwas Trödelei am Bahnhof abzuschütteln misslingen. Mit der Metro No.3 geht es schließlich in die westlichen Stadtteile. Beim Fußweg über die Tuchkov Brücke taucht das Stadion auf.

Auf einer Insel am Rand der kleinen Neva gelegen zeichnet es sich im immer noch dämmerigen Licht ab und passt so voll und ganz zu dieser Stadt. In einer Zeit der großen Gleichheit und der generischen Arenen, tut es gut, ein Stadion zu sehen, dass sich derart stark zum Standort bekennt. Mit seiner festungshaften Insellage passt es perfekt in die Brückenstadt. 1925 erbaut, gibt sich das Petrowski klassizistisch. Ein stolzer Kranz getragen von eleganten kapitellverzierten Säulen. Die Aufgänge sind weiß gerahmt wie die Fenster der Kirchen und Paläste. Die nachträglich ergänzten Flutlichmasten wahren sensibel etwas Abstand zum tempelhaften Oval und markieren die Ecken der Insel dabei wie Türme. Es ist ein stimmiges Ensemble. Einzig die großflächigen LED-Displays stören.

piter00 Die Insellage wird mir prompt zum Verhängnis. An der Zugangsbrücke werde ich vom Sicherheitsdienst abgewiesen: In den Fanshop könne ich aber gerne gehen. Passt. Passt in die heutige Zeit. Passt zum Emporkömmling Zenit. Das Authentische bekommt man verwehrt und wird stattdessen eingeladen, sich mit seiner Plastikkarte in der Plastikwelt auszutoben. Dahin geht es bei diesem Club, der in seiner Geschichte kaum einmal eine wichtige Rolle spielen konnte und erst seit Gazprom wirklich Bedeutung erlangt hat. Dieser frische Glanz soll sich auch in dem neuen Stadion, ein paar Kilometer weiter an der Mündung des Flusses gelegen, wiederspiegeln. An der Stätte des alten Kirov-Stadions entsteht dort derzeit – man ahnt’s – die ‘Gazprom Arena’. Dessen Lage ist nicht minder spektakulär und auch die 3D-Simulationen verheißen einen prägnanten Entwurf. Ob die neue 70.000 Zuschauer fassende Arena allerdings den Charme entfalten kann, den das 21.500 Besucher fassende Petrowski mit sich bringt, bleibt abzuwarten. Bis zur unklaren Fertigstellung, spätestens zur WM 2018, bleibt das Petrowski Heimat von Zenit, die hier seit 1993 spielen.

Unweit des Petrowski findet sich auch noch das kleine ‘SKA’ Stadion. Der Armeesportclub SKA ist vor allem für seine Eishockeymannschaft bekannt. Hier wird es hell. Sogar die Sonne meldet sich zu Wort und eine fabelhafte Stadt wartet auf mich. fg

Fussballkultour Links:
Wir haben Zenit-II gesehen
Nachbar Dynamo St. Petersburg bei Torpedo Moskau

Weitere Links:
Wikipedia zum Petrowski
Ausblick: Gazprom Arena
Wikipedia über St. Petersburg

Fotogalerie (zum Vergrößern klicken)

Strogino Moskau (RUS)

 

Weil wegen dem Wappen

 

Badge-Strogino_small  FK Strogino Moskau – Zenit St. Petersburg II  Badge-Zenit_small

21.10.2013, 3. russische Liga, Yantar-Stadion, Endstand: 2:2

StroginoBeides nie gehört. Beim Namen ‘Yantar Stadium’ – hätte ich auf indische Cricket-Liga getippt und bei ‘Strogino’ auf einen Drittligisten in Kalabrien.

Immerhin: Dritte Liga stimmt. Eine von fünf dritten Ligen in Russland. Und das Ganze ist im tiefsten Moskauer Vorstadtdschungel. Und tatsächlich ist Strogino mit seinen Stränden an einem seitlichen See der Moskwa so etwas wie die Adria der Stadt. Aber muss man hier wirklich hin? Selbst wir waren drauf und dran zu sagen: ‘Nicht zwingend’. Aber als wir dieses prächtige blaubelbe Vereinswappen sahen war die Sache klar: Der Weg führt nur über Strogino und direkt ins Yantar Stadion.

Strogino Also ab mit der Linie 3 raus zur Metro Station Strogino. Rochenförmige Lichtkuppeln über der Plattform weisen den Weg in Richtung See und damit Stadion. Der Stadtteil ist von sehr großvolumigem Wohnungsbau geprägt. Die deutschen Zeitungen würden hier wieder viel- und dabei tatsächlich nichtssagend von einem ‚Hochhausviertel‘ sprechen und dabei Assoziationen wie Betonwüste, Großstadtanonymität oder Perspektivlosigkeit voraussetzen. Ist aber meistens zu pauschal und entspringt oft der sehr ausgeprägten Hochhausphobie, die uns Deutschen eigen ist.

Über Strogino weiß ich einfach nicht genug, um dessen Sozialstruktur abschätzen zu können. In jedem Fall weist das Viertel rund um seinen See erhebliche Freizeitmöglichkeiten auf. In dem Kontext ist auch der Fussball Club Strogino zu verstehen. Mehr als ein Verein alter Schule mit gewachsener Tradition und Fankultur, ist er eher als ein neues Angebot im wachsenden Stadtteil zu verstehen. Scheinbar gut geführt, bietet er vor allem der Jugend Möglichkeiten. Bekannt ist er auch für seine erstklassige Beach-Soccer-Mannschaft. Russland ist hier immerhin amtierender Weltmeister.

Strogino Schon bevor das Stadion in Sicht kommt, ahne ich, dass hier etwas nicht stimmt. Das ist der zweite Typ in Strogino-Trainingsanzug, der hier lang schlappt. Weit über das Balljungenalter hinaus, aber deutlich unter dem eines Ehrenamtlers, deute ich ihn als Spieler. Als ich über den letzten Hang komme, bestätigt sich meine Befürchtung. In einer halben Stunde, um vier, soll es losgehen. Zwar ist das Flutlicht angeknipst, aber Ränge und Rasen sind komplett leer. Egal. Ich schaue mich in der Gegend um und trinke noch einen Kaffee. Als ich kurz vor fünf erneut über den Hang komme, geht das Spiel schon los. Zunächst mache ich Fotos von Draußen. Man kann stellenweise das ganze Spielfeld überblicken.

Vielleicht ist deswegen dann der Eintritt auch frei. Strogino muss über jeden einzelnen Interessenten froh sein. Montags 17 Uhr ist zwar schwierig, aber hier sind wirklich bestenfalls 100 Leute. Drei davon werden sofort zu meinen Lieblingen. Die Teenager auf der Gegengeraden peitschen unermüdlich die Zweitvertretung von Zenit nach vorne. Alle anderen hier sind gelangweilte Kiebitze. Zwar ist alles bunt und neu und sauber, aber völlig leblos. Zenit gleichen bald den von mir verpassten Führungstreffer der Gastgeber aus und die drei Jungs feiern ganz groß. Als der Schiri zur Halbzeit bittet, reibe ich mir die Augen. Eine Verlängerung des Spielertunnels wird ausgezogen und acht adrett in Blau und Gelb gekleidete Cheerleader Girls springen heraus und bilden mit goldenen Büscheln (nachgeschlagen: Pompons) einen Spalier für die etwas betretenen Athleten. Ganz großer Sport! Die jungen Damen führen dann noch ein paar Übungen auf und verabschieden sich mit großem Gejohle … aber keiner klatscht. Wer auch? Ich mag jedenfalls die farblich sehr gelungene Kostümierung.

Strogino Die zweite Halbzeit verfolge ich von gegenüber. Die Hochhauswand macht schon was her als Kulisse und so bin ich viel mit der Knipse beschäftigt. Das Spiel plätschert so vor sich hin. Die einzigen, die hier unbedingt die drei Punkte erzwingen wollen, sind die drei Piter-Fans. 20 Minuten vor Schluss ziehen sie nochmal alle Register. Zuerst wird oben blank gezogen und dann macht auch noch einer drei Reihen weiter unten den Capo für die anderen beiden. Welch grandios schwachsinnige Show!!

Kurz vor Schluss, als ich mich schon Richtung Ausgang bewege, gelingt Strogino das 2:1 nach einem sehenswerten Freistoßschlenzer. Na also. Jetzt wird gelächelt, ja geklatscht sogar und da: Der eine schreit sogar irgendwas. Die Blaugelben wähnen sich als Sieger. Aber Zenit kommt nochmal und mit der letzten Aktion gelingt tatsächlich noch der Ausgleich. Der Gästeblock flippt nun komplett aus. Mitten in den überschwänglichen Trubel hinein kommt der Schlusspfiff und die elf Spieler gehen zu den Dreien, die mittlerweile runter an die Bande gekommen sind und die Schalparade machen. Finde ich super.

Ich klatsche nicht mehr ab, sondern mache mich auf den Weg. Bevor nun vielleicht der eine oder andere seinen nächsten Urlaub in Strogino plant: Nein, man muss hier nicht hin. Aber dieses Wappen ist schon schick. fg

 

Etwas lebhafter ging es zu bei unserem anderen Moskau – St. Petersburg Duell

Weitere Links:
Strogino Beach Vollgas Video!
FC Strogino (haupts. Nachwuchs)
Tabelle der 3. Russischen Liga auf Soccerworld