Rot-Weiss Essen – Eintracht Braunschweig
03.12.2000, Regionalliga Nord, Georg-Melches-Stadion, Endstand: 1:3
Tore: 0:1 Falk, 42. ; 1:1 Winkler, 56. ; 1:2 Endres, 87. ; 1:3 Thomas, 89.
Zuschauer: 6.913
Das Kuriose an diesem Spiel sollte, neben der für Eintracht recht untypischen Art ein Spiel in den letzten Minuten noch zu blau-gelben Gunsten zu entscheiden, vor allem die Fahrt an sich und deren Umstände für mich sein. Doch von Anfang an. In den Tagen vor diesem Spiel brodelte es förmlich in mir, denn der BTSV hatte seit fast 10 Jahren nicht mehr gegen den Traditionsverein Rot-Weiss Essen gespielt und ich hatte die ganze Zeit das Gefühl dabei sein zu müssen, wenn wir an der altehrwürdigen Essener Hafenstraße auflaufen würden. Da es aber zu der Zeit jobtechnisch nicht wirklich rosig bei mir aussah, hatte ich den Gedanken an dieses Auswärtsspiel aus finanziellen Gründen fast schon ad acta gelegt. Allerdings hatte ich am Samstag von einem Teil der wenigen mir zur Verfügung stehenden Mittel einen Tippschein bei der Kooperationsgemeinschaft der Landeslotterien (Oddset) abgegeben und bis zum Abend hatten alle Spiele den von mir prognostizierten Ausgang genommen – es fehlte nur noch ein Ergebnis: Ein Auswärtssieg unserer Eintracht am Sonntag in Essen.
Ich fand in der Nacht zum Sonntag wenig überraschend kaum in den Schlaf. Meine Gedanken kreisten nur darum, dass ich mir diese Fahrt eigentlich nicht im Ansatz leisten konnte, es sei denn, die Eintracht würde gewinnen – denn dann würde ja auch ich gewinnen und die Fahrt wäre plötzlich locker zu finanzieren. Ich fasste den Entschluss mir keinen Wecker zu stellen und das Schicksal oder was auch immer entscheiden zu lassen.
Tatsächlich wachte ich nach nur wenigen Stunden Schlaf auf und noch pünktlich genug, um den Sonderzug am Bahnhof zu erreichen, auch wenn ich noch keine Fahrkarte hatte. 20,- DM befanden sich noch in meinem Portemonnaie. Das würde für Fahrkarte und Eintritt nicht mehr reichen, es sei denn, ich würde mich im Zug umhören ob irgendwo noch ein Platz auf einer der Karten frei wäre. Das Risiko war ich aber mittlerweile bereit einzugehen, in einem wahren Rausch schnappte ich mir meinen Schal und rannte die Straße hinunter Richtung Bushaltestelle. Dort dann aber der Schock: Der Bus Richtung Hauptbahnhof war 2 Minuten zu früh abgefahren und an einem Sonntag bedeutet dies, dass es nur noch eine Option gibt: Die Beine in die Hand und losgerannt!
Von der Haltestelle an der Gliesmaroder Straße spurtete ich in Richtung Bahnhof und es waren nur noch wenige Minuten Zeit bis zur Abfahrt des Zuges, als kurz hinter der Jasperallee plötzlich ein Taxi neben mir hielt und mich der Fahrer fragte, wo ich denn so eilig hinmüsse. Nachdem ich ihm meine Situation kurz geschildert hatte, setzte der gute Mann ein freundliches Grinsen auf und bot mir tatsächlich an, mich für umme bis direkt vor den Bahnhof mitzunehmen. Einfach grandios! Als ich am Bahnhof mich herzlichst bedankend aus dem Taxi sprang, waren auf der Uhr noch 90 Sekunden bis zur Abfahrt verblieben. Ich sprintete durch die Bahnhofshalle in Richtung Bahnsteig, hastete die Treppen zum Gleis hinauf und stürzte schließlich mit dem Schließen der Türen in den Zug. Geschafft!
Ich stand nun also ohne Fahr- und Eintrittskarte und auch ohne jegliche Verpflegung im Sonderzug nach Essen. Immer noch keuchend fragte ich im ersten Abteil nach der Möglichkeit auf einer der Karten mitfahren zu können und nach einigen Kopfschüttlern und mitleidigen Blicken, meldete sich in einer 2er Reihe tatsächlich ein etwas korpulenterer Herr, der mir auch gleich den “halben” Platz neben sich anbot. In einer Mischung aus Wortfetzen und Schnappatmung versuchte ich ihm meine Situation zu erkären und dass ich nur 10,- DM für die Fahrt zahlen könne, da ich ja auch noch eine Eintrittskarte bezahlen müsse etc. Doch ohne darauf weiter einzugehen und mit einer stoischen Ruhe holte er unter dem Sitz eine Plastiktüte bis zum Rand gefüllt mit Dosen feinster Braunschweiger Braukunst hervor, schaute mich ernst an und sagte: “Junge, jetzt trinken wir erstmal ‘n Bier.”
So kam es, dass ich tatsächlich nur diese 10,- DM bezahlte – nach Essen und zurück, inklusive großartigem Reisemitstreiter und dessen Versorgung mit Flüssigkost. So konnte ich mir vor Ort im Georg-Melches-Stadion auch noch eine Eintrittskarte und eine Bratwurst leisten, wurde Zeuge eines 3:1-Auswärtserfolges – übrigens dem einzigen Eintracht-Erfolg in Essen in den letzten 32,5 Jahren (Stand 01/13) – erlebte eine der großartigsten Auswärtsfahrten aller Zeiten und gewann nebenbei noch genug Geld um sorgenfrei über den Monat und vor allem das anstehende Weihnachtsfest zu kommen. Meinen guten Geist dieser Fahrt habe ich leider nie mehr getroffen, obwohl wir uns das beide ernsthaft vorgenommen hatten. Ich habe danach auch nie wieder wirklich größere Summen bei Sportwetten gewonnen, dass war aber auch zum Glück nicht mehr wirklich nötig denn im neuen Jahr hatte ich das Glück eine feste Anstellung zu finden. e.b.