Borussia Dortmund – Eintracht Braunschweig
18.08.2013, Bundesliga, Signal Iduna Park, Endstand: 2:1
Schulterblick
‘Nach 28 Jahren ohne Bundesligaspiel kehrte Eintracht Braunschweig am vergangenen Wochenende auf die große Fußballbühne zurück und beendete eine lange Durststrecke (…)’ weiß das Stadionmagazin des BVB den Gegner anzukündigen. So oder so ähnlich lesen wir es dieser Tage nahezu überall und allmählich klingt es ziemlich abgenutzt. Und dennoch Freunde: Es stimmt.
Wer sich trotzdem noch einmal die Augen reiben will kann nachschlagen:
28.07.2009 im Stadion Rote Erde. BVB U23 gegen den BTSV.
Das war ebenfalls der zweite Spieltag, aber derzeit noch in unserer langjährigen Lieblingsliga 3. Auf dem Platz für die Eintracht waren u.a. Petko, Dogan, Theuerkauf, Kruppke, Vrana, Boland und Pfitze. Lest noch einmal unseren damaligen Bericht. Er vermag vielleicht stärker die Größe des heutigen Ereignisses vor Augen zu führen, als diese neue Episode selbst. Ganze vier Jahre liegen zwischen diesen so unterschiedlichen Spielen.
Für den ersten Auswärtsauftritt der Eintracht hätte man sich eigentlich kaum einen besseren Rahmen ausmalen können. Es ist schon imposant genug, die Mannschaft vor 80.000 Zuschauern spielen zu sehen. Vielmehr noch erlaubt es uns Braunschweigern, in großer Zahl anzureisen. Von sieben- bis achttausend nach Dortmund gereisten Eintracht Anhängern ist die Rede. Dementsprechend lang ist dann auch der Sonderzug der im Braunschweiger Hauptbahnhof einrollt. Zwar ist es nicht so, dass die 1. Liga nun auch die 1. Klasse mit sich bringt, aber da hat man schon ganz andere Fahrten erlebt, damals nach … ihr wisst schon.
Mein Platznachbar hier ist angesichts des großen Tages so euphorisiert, dass er beschlossen hat, seine Wolters-Sammeldosen durchzutrinken und auf diese Weise über den vergangenen Jahren zu sinnieren. Feierlich reißt er sich also das Modell ‘Aufstieg 2011′ auf und prostet uns zu. Der 2011er Jahrgang schmeckt allerdings, sagen wir, anders. Schnell weiß unser findiger Gefährte sich aber zu helfen, indem er fortan immer einen Schluck 2011 trinkt und mit einem Schluck ‘Durst auf Liga 1′ nachspült. So kann – man ist sich da einig – der Qualitätssprung, den die Eintracht über die Jahre gemacht hat, auch über den Gaumen noch einmal nachempfunden werden.
Zeitlich relativ knapp kommen wir in Dortmund an. Zumindest der Bahnhof ‘Signal Iduna Park’, könnte eigentlich auch dauerhaft ‚Stadion‘ heißen. Aber selbst das Bahnwesen scheint den Unfug der kommenden und gehenden Sponsoren gern mitzumachen und Fahrpläne und Beschilderung anzupassen.
Auf der großen Bühne
Glücklicherweise geht es dann relativ schnell, so dass wir zwanzig Minuten vor Beginn im Stadion sind. Da die Sphären der höchsten Spielklasse auch eine beachtliche Anzahl an Treppenstufen mit sich bringen, sieht sich der eine oder andere zu einer Verschnaufpause auf dem Halbpodest gezwungen. Kurzatmig im Oberrang angekommen, wird man dann mit einem guten Überblick über die imposante Kulisse belohnt. Es ist ein ansehnlicher, kompakter Kessel, der einem da gelb entgegenleuchtet, wenn auch im Farbton eine Nuance zu hell.
Aber auch wir sind gut vertreten. Krass weit ist die Entfernung bis da unten zu dem Cattiva Block. Leider ist unsere eigene Gang auf mehrere Blöcke versprengt. Isoliert von den Kumpanen suche ich eine Weile nach bekannten Gesichtern, dabei fallen Jan Washausen und Matthias Henn auf.
Der Gästebereich macht gut Alarm. Bei diesen großen Spielen vermischt sich oft Support-affines Publikum mit eher passiver Klientel. Immer wieder gibt es Nester von Leuten, die sich rege beteiligen und andere mitziehen. So werden die am Spielfeldrand angestimmten Lieder auch heute bis weit unter das Dach mitgetragen und wir können eine feine Darbietung abliefern. Empfohlen sei unser Video dazu.
Enttäuschend ruhiger geht es beim BVB Anhang zu. Erst nach dem Spiel erfahre ich von dem Stimmungsboykott seitens der Dortmunder Ultragruppierungen als Reaktion auf die polizeiliche Behandlung im Vorfeld des Spiels. Schade.
Das Spiel selbst dürfte jeder gesehen haben. Zwar erleben wir viele Hase & Igel Situationen, aber die Eintracht präsentiert sich über weite Strecken gut organisiert. Vom BTSV geht kaum einmal Gefahr aus, aber lange Zeit steht die Null. So lange, dass man sich dann doch richtig ärgert, als der BVB nach 75 Minuten in Führung geht. Nach dem 2:0 in der 86. Minute geht das dann soweit, dass ich einfach nur kein drittes Gegentor mehr will. Stattdessen macht Kevin Kratz ein klassisches Kruppke-Tor nach einem Eckball und wir gehen mit einem 1:2 zwar erhobenen Hauptes aber auch wieder ohne Punkte aus dem Stadion.
Erneut treffen wir auf Wohlwollen und Aufmunterung. Ordentliche Leistung, tolle Fans, viel Glück noch… danke reicht. Ich will mich nicht daran gewöhnen. Wenn das so weiter geht, enden wir als das knuffige Ligamaskottchen, das alle lieb haben, weil es keinen beißt. Wie sowas endet ahnen wir: ‘Schade, dass die wieder abgestiegen sind’.
Unverhoffte Hektik
Unsere Fahrt zum Bahnhof gerät zur Posse. Ist man aus den unteren Ligen noch gewöhnt, dass einen die Schutzpolizei behütet und quasi bis vor die eigene Haustür geleitet, sehen wir uns nach dem Verlassen des Stadions unverhofft damit konfrontiert, eine selbständige Entscheidung treffen zu müssen. Links oder rechts? Wir halten es mit links, wo eine S-Bahn zum Hauptbahnhof fahren soll. Das Gleis ist voll, die einfahrende Bahn alsbald auch. Wir vertrauen auf die Aussage einer Dortmunderin, das gegenüberliegende Gleis bediene mit einem Umstieg auch die Fahrtrichtung Bahnhof. Easy. Also hundert Mann in den Zug, hundert bleiben draußen. Auf dem Gleis nun Unruhe bei Ordnungsdienst und Polizei. Irgendwann dürfen wir doch abfahren. Am nächsten Stopp steht wiederum eine Bahn im gegenüberliegen Gleis. Ergo in der eigentlich für uns angedachten Richtung. Das zumindest denkt jemand, spricht‘s aus, rennt los und logisch – alle blindlings hinterher: ‘Die werden sich wundern wo wir herkommen wenn wir am Stadion vorfahren’!
Pustekuchen. Erst mal wundert sich nur der Fahrer. Er verkündet merklich irritiert, der Zug hätte doch am nächsten Stopp seine Endhaltestelle. Die ganze Bagage wieder raus. Natürlich ist unsere ursprüngliche Bahn längst weitergefahren. Und natürlich klingt das Gezeter dann doch wieder wie damals in den Verls der Republik: ‘Scheißladen’‚ ‘Dreckskaff’ und na klar: ‘Provinz’!
Schließlich kommt ein Zug. Nachdem wir also in vier Bahnen waren, anstatt auf die eine zu warten, trudeln wir knapp aber noch rechtzeitig am Bahnhof ein. Wir können sogar noch Bier holen und finden kurz vor der Abfahrt des Sonderzuges unsere Freunde wieder. Die Rückfahrt gestaltet sich trotz guter Gesellschaft so zäh wie solche Fahrten eben sind. Obligatorisch wird die Notbremse ausprobiert und siehe da: Sie funktioniert. Gehört wohl dazu. Auch in der Bundesliga. fg
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