UEFA EURO 2012 – Ukraine Teil 2
Zurücklehnen in Donezk
Frankreich – England
11.06.2012, Vorrunde Gruppe D, Donbas Arena Donezk, Endstand: 1:1
Zuschauer: 47.400
Tore: 0:1 Lescott (30.) ; 1:1 Nasri (39.)
Durchs ganze Land
Am frühen Abend fährt unser Zug aus dem Lemberger Bahnhof und begibt sich auf die lange Fahrt immer nach Osten. Etwas über 1000km Luftlinie liegen zwischen uns und unserem nächsten Ziel Donezk. Der Zug braucht für diese Strecke und die zahlreichen Stopps 27 Stunden. Wir bekommen versichert, er hätte schließlich auch schon 50 Jahre auf dem Buckel. Irgendwie stört das aber keinen. Das gute an mangelnder Qualität ist, dass sie bezahlbar bleibt. Wir haben dritte Klasse Schlafwagen bezahlt und dritte Klasse Schlafwagen bekommen. Es ist nicht immer bequem, aber unterhaltsam allemal und für 13€ kommt jeder hier einmal durch das ganze Land.
Unsere Platznachbarn sind junge Fußballfans aus Lviv, die auch zu dem Spiel fahren. Wir wundern uns, dass sie in ihren Ukraine-Trikots nicht das eigene Spiel in Kiew ansteuern, aber sie haben nur Karten für England-Frankreich bekommen. Für sie geht es auch zum ersten Mal nach Donezk und wir bekommen versichert, es gäbe eigentlich auch keinen Grund, dort hinzufahren.
Sie selbst sind alle Dynamo Kiew – Anhänger. Auf Karpaty Lviv, angesprochen sagen sie, sie mögen ihre Heimat und auch Karpaty, aber Dynamo sei ihre Liebe. Wir kommen in das Gespräch über Tradition und historische Bedeutung, in dem wir Braunschweiger so geübt sind. Dynamo sei auch zu Sowjetzeiten der Club gewesen, hinter dem sich die Ukraine versammelt hätte. Die meisten Meisterschaften in der Sowjetunion:13, und die meisten Titel in der Ukraine: Auch 13. Shachtar Donezk, man ahnt es schon, sei dagegen nur Retorte, in seinem Neureichtum eine vorüber- gehende und zur Bedeutungslosigkeit verdammte Erscheinung. Der junge Mann redet sich in Fahrt. Wir klinken uns ein, als er den hinkenden Vergleich Bayern – Dortmund anstellen will.
Wir erzählen von uns, dem ukrainischen Blaugelb unserer Eintracht, dem Titel 1967: Klar, ist ne Weile her, aber nicht so alt wie euer Zug hier! All das sagt natürlich keinem was. Aber dann erinnern wir uns an Igor und der Groschen fällt. Igor Belanovs letzte Station: Eintracht Braunschweig. Dass es da einen unterklassigen Verein gab, bei dem der gute Igor schließlich seine Fußballschuhe an den Nagel hängte ist ihm tatsächlich geläufig. Wir fühlen uns rechtmäßig angekommen im Weltfußball. Diese dumme alte Geschichte mit Igors Frau und den allzu peniblen Kaufhausdetektiven bei Hertie sprechen wir nicht an. Ist doch alles gut. Braunschweig – na klar!!!
Nach ein paar Stunden regnet es bei uns rein. Sowohl Fenster als auch Dichtungen haben schon besser Tage gesehen. Eine Frau kommentiert die Pfütze im Gang und blickt uns argwöhnisch an, während wir unser Bier trinken. Irgendwann kommt tatsächlich die Schaffnerin und meckert los. Wir streiten alles ab, halten die Flaschen etwas flacher, deuten die Geräusche plätschernden Wassers nachempfindend auf die Fenster und zeichnen den Verlauf des Unheils nach. Haben wir nix mit zu tun!! Sie blickt ratlos, meckert aber forsch weiter. Der Drachen! Unser Platznachbar klinkt sich ein und übersetzt uns die Standpauke wie folgt: Die Schaffnerin sei untröstlich. Das Leck sei ihr entsetzlich peinlich und in wenigen Minuten sei ein Monteur da, um den Missstand zu beheben. Ach so!
Anfangs haben wir noch viel Platz und können uns etwas ausbreiten. Mit zunehmenden Haltepunkten wird es jedoch enger, so dass man irgendwann fast zwangsläufig in seinem Hochbett landet. Das überaus gute Benehmen aller fällt auf. Man redet eher leise, drängelt nicht und wirklich jeder bringt umgehend seinen Müll in den Bereich zwischen den Waggons. Die dritte Klasse lehrt, sich zu arrangieren. Ich schlafe ganz gut dort oben auf der Pritsche. Zwar ist das Umdrehen mit Vorsicht zu genießen, aber immerhin gibt es diesmal keine Grenzkontrollen.
Ein neuer Reisetag
Der Morgen bringt das Land mit sich. Wir durchqueren eine weitläufige Agrarlandschaft mit auffallend vielen einzelnen Kühen und zahlreichen Ortschaften. An einer halten wir und eine Frau geht durch den Zug, um ihr Essen zu verkaufen. Mit meinem ‚Ya vehetarianets‘ kann sie gleich was anfangen und führt mir aus ihrem Repertoire vor, was geht und was nicht. Irgendwie ist eben doch alles ganz einfach. Ich bekomme Varenyky mit Kapusta – Maultaschen mit Sauerkraut.
Auch während des Tages nicken wir immer mal wieder weg. Viel zu tun gibt es ja nicht. Wir halten in Dnjepropetrowsk.
Sauber. Dnjepr Dnjepropetrowsk – ein Name den ich seit der Kindheit liebe. Auf einmal ist man tatsächlich an diesem Ort. Obendrein liegen wir, wie wir erfreut feststellen, im Fahrplan, denn die Zeit zwischen der geplanten Ankunft in Donezk und dem Spielbeginn lässt wenig Spielraum. Mit unserer Bahn in Deutschland hätte man das nicht so eng planen können. Auch das Donezk-Becken erlangt nun endlich, 25 Jahre nach dem Erdkundeunterricht Bedeutung für mein Leben, als wir in Donezk einrollen. Ein wenig Nervenkitzel noch an der völlig überforderten Gepäckannahme im Bahnhof. Doch mit noch zwei Stunden Zeit bis zum Anpfiff sitzen wir schließlich im Bus zum Stadion. Unser Eindruck von Donezk beschränkt sich auf diese zwei Stunden. Als Zentrum von Schwerindustrie und Kohlebergbau ist die Stadt eher funktional aufgebaut als gewachsen. Grünanlagen und Infrastruktur nehmen sich mehr Platz. Die vielen neuen gewerblich genutzten Repräsentativbauten komplettieren einen beinahe amerikanischen Eindruck. Auch das Stadion passt in diese Bild. Es wirkt wie ein schillerndes UFO auf großräumiger Freifläche – mehr NHL als Fußball.
Arne hat noch Karten für heute und auch das Spiel Ukraine-Frankreich über, die er verkaufen muss. Wir holen uns ein Bier und stellen uns an die Straße. Hier ist schon deutlich mehr Trubel als der Peripherie von Lviv. Die Tickets finden dementsprechend schnell ihre Abnehmer und wir freuen uns in aller Gelassenheit und Neutralität auf das Spiel. Über all dem merken wir, dass hier richtig Sommer ist. Die unentschlossene Schwüle des Westens haben wir hinter uns gelassen.
Die Donbas Arena ist ein Schmuckstück, das sich sehen lassen kann. 51.500 Zuschauer, die höchste UEFA-Klasse 4 und in Privatbesitz eines einzelnen Oligarchen. Als Bauwerk ist es feingliedrig in seiner Konstruktion und weniger monumental als die meisten Stadien. Es ist von beeindruckender Stimmigkeit und strahlt auf eine elegante und nicht unangenehme Weise Erhabenheit aus. Als wir den weitgehend neutralen Bereich aufsuchen, in dem unsere Plätze sind, finden wir dann auch nicht gerade einen Hexenkessel vor. Es ist eher ein Stadion für das gesittete Publikum. Ist aber auch völlig in Ordnung heute, denn wir lehnen uns ganz entspannt zurück in die Sitze. Bier genießen und Fußball gucken. Großartig.
Spielgeschehen
England – Frankreich versprach vor dem Turnier eins der interessantesten Vorrundenspiele zu werden. Frankreich traute man zu, den Schatten vergangener Jahre hinter sich zu lassen und England kann man sowieso immer gucken. Das Spiel selbst ist dann aber kaum von nachhaltigem Erzählwert. Am Ende heißt es ohne große Aufreger 1:1 und auch davor passiert nicht viel. Gerrard und Terry, Benzema und Ribery… hat man mal gesehen.
Stimmungstechnisch, ist der Abend auch eher eine Auszeit. Franzosen sind kaum da und auch England scheint nicht mehr die ganz große Gefolgschaft zu mobilisieren, die es früher auf die Beine zu bringen vermochte. Diejenigen, die da sind, schlagen sich ganz ordentlich. Störend ist das sehr stimmgewaltige ‚RUS-SI-JA‘, dass immer wieder die Runde macht. Es offenbart, wer sich so richtig breit gemacht hat hier in Donezk, wo die Staatsgrenze so nah östlich und die ideologische Grenze so fern westlich liegen. Positiv ist, dass die Engländer mit ‚Ukraine‘ – Schlachtrufen dagegenzuhalten versuchen. Stets fester Bestandteil der England-Faszination, dürfen die Reihen von St. Georges-Cross Fahnen mit den Herkunftsorten nicht fehlen – heute lesen sie sich so: West Ham Utd, Addlestone, Hereford, Leicester City, Chesterfield FC, Notts County, NFFC, Barnsley FC, Winchester, Peterborough…
Aber ganz ehrlich: Viel ist hier nicht los. Wir können uns auf Deutschland – Holland freuen.
Zügige Weiterreise
Hendrik hat hier was klar gemacht. Wir sind per Email mit Leuten aus Karlsruhe verabredet, die uns in ihrem Kleinbus mit nach Charkiw nehmen können. Irgendwie haben wir verschwitzt, uns noch einmal bei den Jungs zu melden. Unser Anruf kurz nach Spielende kommt daher anscheinend etwas überrumpelnd: ‚Mir häddä ned mehr mit eu krechnet‘.
Aber die Plätze sind noch frei und wir finden schließlich auf einem Parkplatz zusammen. Irgendwie empfinde ich die beiden Jungs als vorsichtig. Das erste Abtasten ist von Skepsis geprägt und wenig gelöst. Unterschwellig werden uns die Umstände vorgehalten die wir bereiten, da wir noch zum Bahnhof müssen, um unser Gepäck einzusammeln.
Auch unsere Hoffnung, hier in Donezk noch irgendwo draußen das gleich beginnende Auftaktspiel des Gastgebers gegen Schweden zu gucken wird sofort ausgeschlossen. Die Jungs erzählen etwas von ‚Kilometer machen und dann aufs Ohr hauen‘ und wollen schnellstmöglich raus aus der Stadt. Schade.
An ihrem Kleinbus angekommen wartet noch ein Kölner. Schnell kommt der Grund für den vorherrschenden Argwohn zu Tage. In dieser Fahrgemeinschaft läuft es nicht rund. Im Internet formiert für das ganze Turnier ist die Nummer mit dem sehr dominant auftretenden Patrick schon jetzt gelaufen. Hendrik attestiert ihm sehr treffend eine ‚verdammt kurze Lunte‘.
Egal für uns soll es schließlich nur eine Nachtfahrt sein. Irgendwo auf den dunklen Landstraßen verliert sich meine Bindung zum Geschehen. Immer wieder döse ich ein und wache mitten in eine Szene hinein auf, die sich wie ein missglückter Boxenstopp anlässt. Ein kurzer Knall und dann rauscht das Gas aus unserem Tank in die Nacht. Was zur Hölle…? Entwarnung. Ist vorher schon passiert, die Ventile passen irgendwie nicht immer. Der Tankwart zeigt auf den Zähler und will trotzdem Geld. Mr. Aggro neben mir reißt die Tür auf und faltet den Mann dahingehend zusammen, dass dieser ängstlich versichert, Patrick hätte ganz Recht, sein Fehler. Eijeijei.
Ich tauche wieder ab und wache vor einem Motel auf. 12€ pro Nase aber die Karlsruher wollen im Auto pennen. Für Patrick Grund genug, seinerseits nochmal richtig über die Jungs herzuziehen. Wir schleppen unseren Kram rein und Patrick instruiert mich, den Karlsruhern zu sagen, dass wir nicht vor 9 rauskommen. O.K.
Die Dusche am Morgen ist großartig. Zur Feier des Tages gibt es nach zwei Tagen und zwei Nächten auch ein frisches T-Shirt. Wir brauchen eine ganze Weile, um uns zu sammeln. Aber keiner drängt zum Aufbruch. Anscheinend haben wir nachts genug Kilometer gemacht. Das Ganze hier ist irgendwo mitten in Oklahoma. Tankstellen, Motels und Schotterparkplätze, dazu dekorierte Schuppen als Straßenrandrestaurants und eine Landstraße an der sich alles aufreiht. Draußen ist es gleich morgens verdammt heiß. Willkommener als die abgepackten Milchbrötchen sind daher die kühlen Fruchtsäfte, die wir, unsere trockenen Hälse tröstend, hinunterkippen.
Arne hat Recht. Es ist gut, heute mal mit dem Auto und durch die Dörfer zu fahren. Es bietet einen anderen Blickwinkel und man sieht mehr vom Land als in den introvertierten Nachtzügen.
Unsere Mitreisenden wiederum sind während ihrer ganzen Tour sehr stark an ihr Auto gekettet. Mit ihrem Kocher und den Raviolidosen sind sie schon sehr anders unterwegs als wir. Sie haben weniger Berührungspunkte mit den Ukrainern und bleiben mehr unter sich. Aber sie fahren die ganze große EM ab. Tolle Sache. Ärgerlich, dass sie an einen Mitfahrer geraten mussten, der ihnen so viel Spaß kostet.
Wir fahren durch die Vororte von Charkiw und an einer Grünanlage vorbei, die sich noch in Arbeit befindet. Jemand merkt an, dass man ja ziemlich spät dran sei, hätte das zur EM fertig sein sollen. Ich störe mich sehr an dieser Bemerkung. Wir sind hier irgendwo. Fern der Austragungsstätte leben hier Menschen, die sich sicherlich ihre Grünanlage verdient haben. Warum beziehen wir diesen Park auf die EM und damit auf uns? Hier geht das Leben auch weiter, wenn die Geld- und heilbringenden Besucher aus Westeuropa nach ein paar Tagen wieder weg sind. Nicht alles was hier passiert wird für uns gemacht.
Und welches Recht nehmen wir uns hier über irgendwelche Bauzeiten zu nörgeln? Zur Erinnerung, wir selbst merken erst Wochen vor der Eröffnung unseres Hauptstadtflughafens, dass es noch mindestens EIN JAHR braucht, bis dort ein Flugzeug starten kann. Für die Ukraine gilt: Alle Stadien standen. Alle Züge waren pünktlich. Alle Menschen waren hilfsbereit. Überhaupt Garnichts ist für uns hier schiefgelaufen.
Charkiw. Roy fährt – wie sollte es anders sein – erst einmal zum Stadion. Wir verabschieden uns voneinander. Angesichts der trüben Atmosphäre zwischen den Dreien bin ich ganz froh, als wir uns trennen und mit der U-Bahn zum Bahnhof begeben. Wir haben eineinhalb Tage vor dem Spiel und es gibt viel zu entdecken. Charkiw ist mit knapp 1.5 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt der Ukraine und war seit jeher sehr bedeutend. Dies spiegelt sich in dem großzügigen und sehr praktikablen U-Bahn System wieder. Auch hier sind englischsprachige Helfer beim Fahrkartenkauf zur Stelle.
Zu Gast bei Sascha
Hendrik hat hier – man ahnt’s – was klar gemacht. Wie schon in Lemberg sollen wir privat Unterschlupf finden. Vom Bahnhof rufen wir bei Sascha an. Gerade bei der Arbeit, bittet er uns um etwas Geduld. Wir nutzen die Zeit, um im Pavillon über dem Bahnhofsplatz unsere Ankunft zu feiern.
Wir machen uns einen Spaß daraus, jeden über den Platz kommenden Mann dahingehend abzuschätzen, ob er wohl Sascha sei. Das führt zu einigen ‚Hoffentlich-nicht-Situationen‘, über die wir gut lachen können. Der eigentliche Sascha ist dann aber ziemlich plötzlich da. Nach einer knappen Begrüßung setzen wir uns gleich in sein Auto. Man merkt schnell, dass er viel um die Ohren hat. Anders als Taras und Svetlana liegt ihm nicht so unbedingt unsere Gesellschaft am Herzen. Er hat zwar richtig Lust auf die Begegnung, aber eigentlich auch gar keine Zeit für uns. Sascha aber ist Überzeugungstäter, dem die Einsicht für die EM-Hotelpreise fehlt. Ihm geht es hier viel mehr um eine Grundsätzlichkeit.
Auch seine Freunde hätten ihn gefragt warum er das tue. Für Sascha geht es nicht um weniger als die Ehre der Stadt zu retten und den internationalen Austausch als eine gute Sache zu fördern. Wir fahren mit ihm durch diese Stadt und lauschen seinen Geschichten. Schnell zeigt sich das Charkiw enorm vielseitig ist. Enge Gassen-Stadtteile, großzügige Gründerzeit-Ensembles, sozialistische Wohnviertel und neue Wohlstandsenklaven sind allesamt Kulisse auf unserer Fahrt zu Saschas Wohnung. Die Rumpelpiste auf den letzten hundert Metern erklärt er mit der Formel, dass die Ukraine unter zwei Kernprobleme zu leiden hätte ‚Too many stupids and too bad roads‘. So einfach wie unheilbar.
Die Gegend in der Sascha wohnt wirkt grandios unfertig. Die rohbauhaften, aber bewohnten Hochhäuser erheben sich aus einer Infrastruktur, die sich in einem Dauerzustand des Provisoriums zu befinden scheint. Wie schon bei unseren Gastgebern in Lviv, geht es auch zu Sascha hoch hinaus und erneut lebt die Wohnung von der beruhigenden Aussicht aus dem Wintergarten.
In der Fanzone
Wir halten uns nicht lange auf und fahren mit Sascha, der ohnehin wieder arbeiten muss, in die Innenstadt. Sein Restauranttipp erweist sich als genau richtig. Das Buffet bietet Gelegenheit, ein paar Landesspezialitäten zu probieren und wieder zu Kräften zu kommen. Danach spazieren wir etwas umher und schauen uns um. Es ist eine sehr gelassene Stadt, in der man sich sehr gut zu Fuß bewegen kann. Der Fußballrummel hält sich auch auf der Hauptstraße in Grenzen und scheint sich mehr zu verteilen als in Lviv.
Seit Krakau haben wir vor lauter EM gar keine Spiele mehr im Fernsehen sehen können. Heute aber suchen wir einen Irish Pub auf, um das Spiel Tschechien – Griechenland zu gucken. Der Laden ist erwartungsgemäß eher ukrainisch-irisch und ausstaffiert mit Fußballsouvenirs. Das Spiel gibt wenig her und so kommt es ganz gelegen, dass die fünf Braunschweiger hereinspazieren, mit denen Arne seine Reise fortführen wird, wenn Hendrik und ich aussteigen. Wir tauschen uns ein bisschen aus und stellen einmal mehr fest, dass doch alle hier ganz zufrieden sind.
Mit dem Schlusspfiff brechen wir auf zur nahegelegenen ‚Fanzone‘ auf dem Hauptplatz. Das Abendspiel Polen – Russland verspricht etwas packender zu werden. Aber irgendwie bleibt es dabei. Die TV-Spiele gehen an uns vorbei. Hendrik lotst Flo und die Karlsruher aus Lviv hinzu und irgendwie sind die Gespräche besser als das Spiel. Ich überlege, ob das reale Dabeisein, diese Fernsehform der EM schon wieder so unwirklich erscheinen lässt, dass man keinen Zugang dazu findet.
Als das Spiel aus ist, irren wir noch etwas umher, bevor wir schließlich einen Biergarten finden, in dem sich der Abend gut ausklingen lässt.
Es ist weit nach Mitternacht und wir holen Sascha hinzu, der noch immer bei der Arbeit steckt. Wir verabschieden uns von den KSC-Menschen und treten die Heimfahrt durch die Sommernacht an. Unterwegs hält Sascha noch beim Supermarkt um Snacks zu kaufen und Arne den Laden zu erklären.
Saschas Geschichte ist etwas undurchsichtig. Wie viele helle Köpfe in Ländern die sich schwer tun, ist auch er etwas breiter aufgestellt. Neben seiner Tätigkeit für eine Art Eventagentur ist er auch noch Teilhaber in einem Geschäft für Brautmoden. Wir lernen in diesen Tagen neben dem smarten Geschäftsmann auch einen sehr einfachen Sascha in einem sehr rustikalen zuhause kennen. Dieser einfache Sascha zerlegt nun die Snacks, geräucherte Fische, auf dem Wohnzimmertisch und gibt ein Bild ab, dass so gar nicht in den Brautladen passen will. Es ist ein großes Spektakel. Leider will nur das likörhaft schwere und viel zu warme russische Bier nicht mehr schmecken. fg
Weiter geht die Reise mit Teil 3.
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