- Moskau Derby (RUS)
Vom Fußball ins Weltgeschehen und zurück
Spartak 2 – Dinamo
19.03.2017, FNL, Otkrytie Arena Moskau, Endstand: 1:1
Ernstfall gegen die Reserve
Ein langes Wochenede in Moskau stand auf dem Programm. Zwar lag der Anlass in der Familie und nicht im Fußballgeschehen, doch kaum standen die Reisedaten, wurde natürlich der Spielplan mit dem freien Sonntag abgeglichen. Er wies die Partie von Spartaks Reservemannschaft gegen Dinamo Moskau aus. Spartak gegen Dinamo gilt als das älteste Derby der Stadt. Die Konstellation mit Spartaks Zweitvertretung stellt dabei allerdings ein Novum dar. Dinamo Moskau war am Ende der vergangenen Spielzeit erstmalig aus der Russischen Premier Liga und damit auch erstmals in der 80-jährigen Vereinsgeschichte aus der höchsten Spielklasse des jeweiligen Verbandssystems abgestiegen. In dieser Saison in der zweiten Spielklasse kommt es dadurch zu Aufeinadertreffen mit der Zweitvertretungr Spartaks und auch Zenits.
Als Braunschweiger fallen einem da schnell die Auftritte der Eintracht im beinahe leeren Weserstadion ein, als es gegen die Amateure des SV Werder ging, die Duelle mit den Amateuren des HSV, die Schmach bei der Zweiten Wolfsburgs oder sogar Aufeinandertreffen mit Arminia Bielefeld 2.
Ganz so erniedrigend stellt sich die Situation für Dinamo nicht dar. Auch wenn man seinem ärgsten Rivalen nicht auf Augenhöhe begegnet, bewegt man sich lediglich eine Spielklasse tiefer. Außerdem hat Dinamo die Tabellenspitze der FNL gebucht und den direkten Wiederaufstieg so gut wie in der Tasche. Keine Zeit des langen Leidens also, sondern ein kurzer Ausrutscher. Auf dieser Basis scheint es aushaltbar, rüber zur Zweiten von Spartak fahren zu müssen. Im gegnerischen Lager, beim russischen Rekordmeister Spartak, dürfte man dennoch Genugtuung empfunden haben. So fanden sich auch über 10.000 Zuschauer für dieses vom Amateurstadion in Spartaks Otkrytije Arena verlegte Spiel ein.
Sammlung komplett
Mir persönlich kam dieses Spiel insofern gelegen, weil mir gerade Dinamo noch in meiner Sammlung fehlte. Die anderen namhaften Moskauer Clubs, Torpedo, ZSKA, Lokomotiv und auch Spartak hatte ich bereits in den vergangenen Jahren besucht. Daran knüpfte ich dieses Mal an und treffe Torpedo-Anhänger Artem, mit dem ich schon einige dieser Spiele, Ausflüge und Bahnfahrten abgerissen hatte.
Mit dem Bus fahren wir vom Weißrussischen Bahnhof ein Stück stadtauswärts zum Stadion. Die Otkrytije Arena liegt in Gebiet des ehemaligen Flugfeldes ‘Tushino’. Zur Zeit ist das noch unter grüne Wiese zu verbuchen, aber bereits das Aeroflot-Magazin auf meinem Hinflug kündete vom bevorstehen schillernden Wachstum des neuen Quartiers. Dennoch: Lange draußen aufhalten muss man sich hier nicht. Also rein.
Spektakel
Für Spartak sind die Haupttribüne und der Unterrang einer Hintertortribüne freigegeben für die wir uns entscheiden. Dinamo ist oben in der gegenüberliegenden Ecke platziert. Es dauert bis nach der Halbzeitpause bis der Gästebereich sich relativ kontinuierlich auffüllt. So ganz glatt scheint der Einlass da gegenüber nicht abzulaufen. Aber dafür darf man nach dem Spiel noch eine Halbzeit dort ausharren. Die Stimmung im Heimlager ist gut aber nicht herausragend. Das Capo-Podium ist immer im Schnitt von 6 Mann mit unterschiedlichen Kernkompetenzen besetzt. Es hat schon etwas von einer kleinen Bühne früher auf Juzi-Konzerten Marke Forellenhof, vor der sich insbesondere die drängen, denen die Dazugehörigkeit besonders wichtig ist. Gesehen werden, da wo das Geschehen ist.
Das äußert sich in einer krassen Ausrichtung auf diese Bühne hin. Hier sind viele junge Gesichter zu finden und die älteren stechen auf ihre Weise heraus. Ein richtig guter Support kommt allerdings von gegenüber. Dinamo vermag es, sehr geschlossen Druck aufbauen.
Das Spiel ist auch ansehnlich. Spartak zeigt vielleicht den moderneren Spielaufbau, bewegt sich variabler durch das Mittelfeld und ist engagierter. Dinamo strahlt aber eindeutig mehr Abgezocktkeit und Kantigkeit aus. Folgerichtig ist es auch Dinamo, das Anfang der 2. Halbzeit in Führung geht. Ein Dämpfer, der auch den Heimblock ruhiger werden lässt. Zum Ende jedoch nimmt die ganze Veranstaltung nochmal Fahrt auf. Spartak wird auf 10 Mann reduziert, bäumt sich aber mit dem Publikum wieder im Rücken auf und erzwingt zwei Ecken in der Nachspielzeit, von denen die zweite zum umjubelten und verdienten Ausgleich führt. Gleich danach ist Schluss. Der Spartak Nachwuchs wird in die Kabine gefeiert.
Unser Video vom Spiel.
Fighting Irish
Draußen wollen wir eigentlich noch Sasha treffen. Aber der sitzt noch im Dinamo-Block fest. Zu unfreundlich ist das Wetter um hier in der Brachödnis auszuharren. Also fahren wir schon vor in die Stadt. In einem Irish Pub nahe dem Weißrussischen Bahnhof warten wir auf den Mann. Moskau hat viele irische und englische Pubs, sogar einige mit deutschen Themen bespielte Bierkeller und dergleichen. Ich merke an, in Berlin seien die Irish Pubs eher für Besucher als für Einheimische. In Moskau ist das nicht so. Artem meint, Russland liebe einfach die englische Kneipen-, Straßen- und Szenekultur. Sasha stößt bald dazu. Ich habe ihn vor drei Jahren gemeinsam mit Artem kennengelernt und seitdem nicht mehr gesehen. Der glühende Anhänger des einstmals dem KGB unterstellten Clubs darf aber heute am Dinamo-Tag nicht fehlen, um diesen mit einigen Bieren zu beschließen. Ich trinke gern in Russland, ob nun irisch oder nicht. Irgendwie ergibt sich darüber immer ein guter Austausch. Und damit endet auch dieser Tag: Vom Fußball ins Weltgeschehen und zurück. fg
Fotogalerie Moskau Derby (zum Vergrößern klicken)
Mehr Fußballkultur aus Moskau und Russland:
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Sehr schöner Blogpost!