Essen und Duisburg
Tag 1: Dustin Hoffmann und The Big Dembowski
ETB Schwarz-Weiß Essen – Sportfreunde Baumberg
03.03.2013, Oberliga Niederrhein, Stadion Uhlenkrug, Endstand: 2:1
Die Bahnstrecke ins Ruhrgebiet bietet ja mittlerweile kaum mehr Überraschungen, so oft wurde sie schon fußballkultourell befahren. Also blieb genug Zeit, um das Bahnpersonal ausgiebig zu nerven. Hintergrund: Ich hatte bis Oberhausen gebucht, da ich bis kurz vor Abreise zwischen den Spielen SW Essen – Baumberg und Oberhausen II – Wuppertal II schwankte. Diese Verbindung führte über Essen und kostete dasselbe im Sparpreis. Nun stand aber Oberhausen+City auf dem Onlineticket, und Kenner ahnen jetzt schon, wo das Problem liegen tat, beziehungsweise wie die Frage des Tages lautete: Kann man die City-Funktion auf Essen umschreiben lassen?
Erster Versuch in Braunschweig, Reisecenter: So eine Frage hatte man noch nie(?), aber man gehe davon aus, dass es nicht möglich sei. Denn gerade über den Sparpreis… feste Buchung… Nein. Zweiter Versuch, Fahrkartenkontrolleurin: Genau wisse sie das nun nicht, aber ich könne mich ja mal an den Infopoint der Bahn im Essener Bahnhof wenden, „dass die das da umschreiben“. Dritter Versuch, Infopoint Essen Hbf: „Ouuuh, schwierige Frage.“ Hier gehe es schon mal nicht, aber dadurch, dass der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr aus so vielen Betrieben bestehe, dürfte es schwierig werden, einfach so die City-Funktion umzuschreiben. Klarheit könne evtl. im Reisecenter geschaffen werden. Zum Spaß bin ich also auch noch dahin, um im vierten Anlauf zu hören: Nein, für eine Umschreibung zwischen zwei Orten, die demselben Tarifverbund angehören, fehlten aktuell die technischen Möglichkeiten, da könne man nichts machen.
Ich hätte jetzt gesagt, Stift raus, Oberhausen streichen, durch Essen ersetzen, Stempel drauf – fertig! Geht doch bei Zugverspätungen usw. auch. Aber so einfach ist der sichtlich komplexen Thematik wohl nicht beizukommen – das ist sicher eine Frage für höhere Instanzen der Bahn, und wenn ich mal wieder viel Zeit habe, kümmere ich mich vielleicht auch drum. Falls also jemand aus der Leserschaft…?
Aber ich wollte ja sowieso erstmal den Stadtkern von Essen erkunden, nachdem dies beim letzten Besuch zeitlich nicht drin war. Zunächst führte die Route jedoch weg von der Innenstadt zum Markt- und Schaustellermuseum, welches aber geschlossen hatte. Es wird nur an ausgewählten Terminen geöffnet, zu denen sich maximal 15 Personen anmelden können.
Zurück im Stadtkern stieß ich zunächst auf das Astra-Theater in der Teichstraße, ein altes Kino, das auf der Website der Essener Filmkunsttheater organisiert ist. Am Burgplatz ist die Domschatzkammer gelegen, die Stufen hinauf thront Wilhelm I. auf einem Pferd und blickt direkt auf das Essener Münster. Oder vielleicht doch eher auf die alte Marktkirche, die weiter unten in der Fußgängerzone steht? Vor der Friedenskirche und der Alten Synagoge endete mein Ausflug, denn es war Zeit, am Bahnhof die S 6 nach Essen-Stadtwald zu erwischen. Die paar Münzen für die Kurzstrecke hatte ich dann auch noch übrig.
Der Bahnsteig Stadtwald liegt, wie der Name schon andeutet, einigermaßen jwd (janz weit draußen). Man muss auch, dem Kiesweg in ein Stück Wald folgend, bis zur Hauptstraße ordentlich bergan laufen, siehe Foto. Zur Belohnung geht es dann aber bergab und rechter Hand erscheint kurz darauf das Stadion Uhlenkrug, übrigens Station 6 auf der Deutschen Fußballroute NRW.
Die Karte kostete 7,- Euro bei freier Platzwahl für das heutige Spiel, da nahm man doch gern einen Sitzplatz auf der nostalgischen Haupttribüne ein. Insgesamt wollten 252 Zuschauer dem ersten Punktspiel nach einigen Ausfällen beiwohnen, darunter etwa 20-25 Unterstützer aus Baumberg, was am Rhein bei Dormagen liegt.
Der ETB Schwarz-Weiß Essen konnte übrigens vor nicht allzu langer Zeit ein Insolvenzverfahren mit Hilfe von Sponsoren und Fans, die um die 80.000 Euro zusammenbrachten, erfolgreich beenden, sodass aktuell der sportliche Aspekt wieder im Fokus steht. Man schielt auf einen einstelligen Tabellenplatz, gleichwohl wird man dem weit enteilten Tabellenführer KFC Uerdingen 05 nicht mehr nahe kommen können. Die Sportfreunde Baumberg wollten nach Trainerwechsel im Dezember die sportliche Talfahrt stoppen und sich nach 4 Punkten aus den letzten beiden Spielen weiter im gesicherten Mittelfeld etablieren.
Doch bevor das Spiel begann wurden erst die Mannschaftsaufstellungen verlesen, und als der Name Dustin Hoffmann fiel, suchte ich mit dem geistigen Auge schon den roten Teppich, den Oscar und die Autogrammjäger, jedoch sah ich „nur“ das junge U23-Talent der Essener auflaufen. Danach gab es eine Gedenkminute für den kürzlich verstorbenen Hubert Schieth, der unter anderem mit dem ETB 1959 den DFB-Pokal gewann. Dieser Titel sowie ein Sieg auf europäischer Bühne 1969 beim FC Barcelona stellen die bis heute größten Vereinserfolge dar.
Kommen wir endlich zur ersten Halbzeit. Beide Mannschaften waren zunächst gut organisiert und ließen nur vereinzelt so etwas wie Torchancen zu. Die größten entstanden aus der Distanz – zunächst scheiterte Essens El-Hossaini in der 34. Minute mit schönem Schlenzer aus 17 Metern, kurz darauf machte es Baumbergs Daour besser, als er eine schlecht geklärte Ecke aus ähnlicher Distanz in den Kasten hämmerte. So ging es mit einem 0:1 in die Pause. An der hölzernen Wurstbude gab es neben Bratwurst und Frikadelle sogar Sucuk im Brötchen (alles zu 2,50 Euro), das hatte ich auch noch nirgends gesehen. Für muslimische Fans sogar extra auf einer Alu-Schale gegrillt, ohne Kontakt zu Schweinefleisch. Mit Senf auch sehr lecker.
Mit Wiederanpfiff übernahmen die Hausherren dann das Zepter des Handelns, und die Gäste verloren ihren Faden und wussten sich ein ums andere Mal nur mit Fouls zu helfen. So deutete der Essener Kapitän Zeh schon in der 50. Minute seine Freistoßstärke an, als er aus etwa 18 Metern nur knapp an einem Kopf in der Mauer scheiterte. Sieben Minuten später passte der zweite Versuch aus etwas weiterer Entfernung perfekt in den Winkel – Ausgleich. In Minute 67 erhielt Sportfreund Beckers nach dem x-ten Foulspiel die mittlerweile verdiente Gelb-Rote Karte und verabschiedete sich wenig professionell in die Kabine, indem er sich auf Provokationen von der Tribüne einließ. Das war sein dritter Platzverweis im vierten Spiel für Baumberg, einschließlich zweier Tests, von denen er wohlgemerkt einen über die vollen 90 Minuten absolvierte .
Wiederum zehn Minuten später folgte ihm El-Hossaini ebenfalls mit Gelb-Rot wegen wiederholten Foulspiels. Den hätte ich als Trainer längst ausgewechselt, denn schon im ersten Durchgang war ihm seine Übermotivation anzusehen. Dieses Video zeigt ein frühes Aufeinandertreffen der beiden in der Partie. Über das Unentschieden hätte sich niemand beklagen können, allein Freistoßungeheuer Zeh bereitete den Weg zum Sieg der Schwarz-Weißen. Nach einer als Handspiel gepfiffenen Ballannahme mit der Schulter brachte er den Ball so scharf vors Tor, dass der sonst gute Gästekeeper nur zur Seite abklatschen konnte, wo der einschussbereite Müller lauerte und ohne Mühe den späten Siegtreffer markierte (87.). Dass wiederum Zeh nicht noch das 3:1 nach, na wie schon, einem weiteren Freistoß erzielte, war lediglich dem Pfosten zu verdanken. Zitat Spielbericht ETB: „Die Freistoßstärke von Christopher Zeh hatte sich bis ins Rheinland herumgesprochen, wenn der Neu-Kapitän anläuft, kann man sich auch schon zur Mittellinie begeben.“ Insgesamt war es eine kämpferische Partie mit einigen Emotionen, und der junge Schiri Tenhofen war desöfteren gefordert, löste die Situationen aber souverän.
Nun musste ich aber zügig zur S-Bahn zurück, denn der RE nach Duisburg fuhr zeitig. Dort am HBF angekommen, führte der Fußweg direkt zum Djäzz, wo der Fußballsoziologe und Mitbegründer des Duisburger Fanprojekts Gerd Dembowski eine Lesung mit dem Titel „Football vs. Riotfolk“ halten sollte. Das Djäzz ist ein kleiner, verwinkelter Kellerclub mit Flair, der Eintritt war frei, also eigentlich gegen freiwillige Spende, und es gab, wie fast überall in Duisburg, als Hauptbiersorte das einheimische König Pilsener, darüber hinaus aber auch eine ansehnliche Palette an Nichtalkoholischem.
Knapp zwei Stunden lang sang, sprach und las Dembowski (oder, wie sein Name im Englischen ausgesprochen wird: Dembauski, daher auch die Assoziation zum Dude) über seine durch Zivilcourage verpatzte Reise zu einem Kongress nach Amsterdam und das Flugverbot bei der KLM, über Geschenke bei FIFA-Kongressen vor einer 8-minütigen(!) Rede über Fußball und Rassismus, eine Begegnung mit J. Blatter und wie er beinahe einen Job vom Fußballpräsidenten der Malediven angenommen hätte, fiktive Interviews mit Olli Kahn für den Stern, über Erlebnisse in den USA und Weisheiten aus Hank Williams-Songs, und einiges mehr. Dabei kamen auch Brummkreisel, Kinderinstrumente und Aufziehtierchen zum Einsatz, kurzum: Sehr kurzweilig, mal improvisiert, durchaus kritisch und oftmals heiter – ein gelungener, von der Kohorte Duisburg organisierter Abend, der dann noch im nahegelegenen Hotel „Zum Löwen“ bei Snooker im TV ausklang.
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Tag 2: The loneliness of the long distance walker
MSV Duisburg – Eintracht Braunschweig
04.03.2013, 2. Bundesliga, Schauinsland Reisen Arena, Endstand 1:0
Nach einem mit 9,- Euro etwas zu teuer geratenen Frühstück stand also ein Tag Duisburg auf dem Programm. Mein Pech: Ich hatte mir im Vorfeld nur unzureichend Gedanken gemacht, wie ich 12 Stunden wohl verbringen würde. Klar, Sehenswürdigkeiten abgrasen, eine Hafenrundfahrt durch den wohl weltgrößten Binnenhafen, irgendwo lecker Mittag essen, vielleicht noch ein Eis in der Sonne, und ab 18 Uhr dann die Jungs am Stadion treffen. Schön in der Theorie, doch hatte diese durchaus Macken. Zum Beispiel war ich gegen 10.30 Uhr schon mit einem Großteil der Hotspots durch – die Altstadt mit einem erhaltenen Teil Stadtmauer und freigelegten Ruinen aus grauer Vorzeit nahe des Rathauses und der Salvatorkirche, dazu das Kultur- und Stadthistorische Museum am Innenhafen und das Museum Küppersmühle.
Dort gegenüber trank ich einen Kaffee in der Morgensonne, der mich nur 83 Cent kostete. Ich war nämlich der einzige Gast und die Bedienung konnte nicht auf 50,- Euro rausgeben… guter Trick eigentlich… Dann spazierte ich zu dem Anleger der Weißen Flotte wegen der Hafenrundfahrt, doch leider gibt es die in der Vorsaison nur am Wochenende. Stattdessen erstand ich an einem urigen Kiosk in der Nähe eine Tageszeitung und suchte mir ein Café, wo ich vor allem die Vorberichte für das Spiel heute lesen konnte. Das fand ich endlich in Nachbarschaft des Lehmbruck Museums im Immanuel Kant Park, wo ich auch zum Mittagstisch blieb.
Es folgte dann am Nachmittag ein Angriff der Langeweile direkt und unverblümt durch die Mitte, unterbrochen von besinnlichem Verharren auf dem sonnigen Vorplatz des Theaters, einem Besuch am Lifesaver Brunnen von Niki de Saint Phalle und einer Straßenbahnfahrt zum Hafen und dem Museum der Deutschen Binnenschifffahrt. Dann hatten sich die etlichen Kilometer des Tages gelohnt und die viele Zeit war endlich besiegt, sodass die Anreise zur Schauinsland Reisen-Arena konnte erfolgen, mit dem Ticket als Fahrkarte für den ganzen Verkehrsverbund Rhein-Ruhr. In Duisburg-Schlenk endete die kurze S-Bahnanreise auch schon, und vorbei am Sportpark Wedau und einer Wasserskianlage im Margaretensee näherte ich mich “hintenrum” dem Neubau auf dem Gelände des alten Wedaustadions, wo ich dann am Gästeeingang auf den Rest des Kombinats und meine Bezugsgruppe traf.
Eine schöne Choreo der Gäste kündigte im erschreckend leeren Stadion (11770 Zuschauer) den Anpfiff an, auf den immerhin gut gefüllten und aktiven Stehplätzen der Meidericher feierte die Proud Generation Jahrestag und tat durch regelmäßige Spruchbahnen diverse Statements kund. Es war also alles angerichtet für Abstiegskampf gegen Aufstiegspläne. Leider konnte man in der ersten Hälfte nicht sagen, welche Mannschaft in welcher Situation ist, so gleichwertig war das Spiel. Der MSV Duisburg unterband mit Zweikampfhärte (6:1 Gelbe Karten) das Spiel der Braunschweiger erfolgreich, sodass Chancen Mangelware blieben, allein Kumbela und Jovanovic scheiterten denkbar knapp vor dem jeweiligen Gehäuse.
Zur Halbzeit ging das Remis in Ordnung, aber gerade die Gästefans hatten sich eigentlich mehr erhofft. Einigen schwante schon Böses, andere wollten festgestellt haben, dass die Eintrachtspieler den Kopf nicht frei hätten. Am Ende hatten irgendwie beide recht. Gerade als Braunschweig sich etwas Übergewicht erspielen konnte, lud ein eigener Einwurf(!) in der Duisburger Hälfte die Gastgeber zum schnellen Gegenangriff ein – dazu das Unvermögen mit 3 gegen 2 zu verteidigen und noch ein Sonntagsschuss über Davari hinweg, fertig war die Führung für die Zebras (62.). Nun wachten natürlich auch die Heimfans auf, wohingegen in der Gästekurve vielerorts Frustschweigen angesagt war. Der sonst gewohnte Sturmlauf der Eintracht nach Rückstand blieb diesmal aus, lediglich Kumbela verzog noch ein Mal denkbar knapp am langen Pfosten vorbei, und auch die Einwechselungen brachten nichts mehr, sodass der MSV das Ergebnis über die Zeit bringen konnte. Die nächtliche Rückfahrt im 7er Bus ist dementsprechend hier auch nicht weiter erwähnenswert…
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